Tipps und Infos rund ums Schreiben und Verlegen

Wie kalkuliert der Verlag ein Buch?

Wolfgang Stock
Autoren-Brief.de
Verlag
Buch
Die launige Meinungs-Kolumne.
Gerne subjektiv. Nicht die Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON Verlag.
Foto: Daniel Biskup.

Neulich fragt mich jemand, wenn ein Autor eine Tantieme von lediglich 8 Prozent des Ladenverkaufspreises bekommt, wo denn dann das ganze andere Geld bleibt. Ein wenig schwingt dabei der kritische Unterton mit, wenn der Verlag 92 Prozent einbehält, dann müsse dieser sich wohl dumm und dusselig verdienen. Schön wär’s.

Lassen wir uns mal grob nachrechnen. So macht ein Verlag dies auch, natürlich viel detaillierter, aber als Muster ist der Aufbau gleich. Der Verlag erstellt für jedes Buch eine sogenannte Deckungsbeitragsrechnung, dies meint, das Controlling rechnet mehrstufig die Produktivität eines jeden Buches aus. Also welchen Anteil an den direkten und indirekten Kosten jedes einzelne Buch „übernehmen“ muss. 

Nachfolgend dazu eine Musterrechnung. Da mag sich manches um ein, zwei Prozentpunkte verschieben, je nach Größe und Befindlichkeit des Verlagshauses. Setzen wir den Umsatz (sagen wir: Ladenverkaufspreis für ein Taschenbuch: 10,00 Euro) als 100 Prozent.

Einnahmen  (10,00 Euro)                                    100 Prozent

abzüglich Kosten
Umsatzsteuer/MwSt.                                                               7 Prozent
Druck/Produktion                                                                  15 Prozent
Rabatt Buchhandel/Barsortiment                             35 – 50 Prozent
Marketing                                                                         8 – 10 Prozent
Tantieme Autor                                                                8 – 12 Prozent
Gehälter Verlagsangestellte                                        18 – 20 Prozent
Miete, Equipment, Versicherungen etc.                              5 Prozent
Summe Kosten                                                   96 – 119 Prozent 
Gewinn vor Steuern                                                        4 bis -19 Prozent       

Wenn alles ideal läuft, aber wann läuft es schon ideal im Leben, dann bleiben 4 Prozent des Ladenverkaufspreises beim Verlag als Gewinn hängen. In diesem Fall (10,00 Euro LVP) also 40 Cent. Idealerweise! Wenn’s schlecht läuft, schlägt ein Verlust von 1,90 Euro ein. Pro Buch! Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte, aber mit deutlicher Tendenz ins rote Feld.

Zum Glück haben Verlage noch zusätzliche Einnahmen, beispielsweise Lizenzerlöse (wo der Deckungsbeitrag hoch ist) oder Print-Nachauflagen und E-Books, wo die Rentabilität ebenfalls besser ist. Auf der anderen Seite gibt es Kosten und Abgaben im Verlag, die man als Normalsterblicher nicht auf dem Schirm hat, von der Abgabe zur Künstlersozialversicherung über die Abwertungen des Lagerbestandes bis hin zur Insolvenzgeldumlage. Alles in allem werde ich also mit obiger Musterrechnung nicht so verkehrt liegen. 

Jetzt wird es für Autoren bitter. Denn wenn es mal nicht so läuft, also im Regelfall, dann gibt es in der Musterrechnung eigentlich nur einen Kostenblock, den ein Verlagshaus direkt und schnell beeinflussen kann: die Marketingkosten. Ich kann ja nicht von jetzt auf gleich die Gehälter der Angestellten kürzen oder die Versicherungspolice nicht bedienen.

Nur beim Marketing kann ich als Verleger flott den Rotstift ansetzen. In diesem Fall beißt sich allerdings die Katze in den Schwanz. Wenn ich weniger ins Marketing investiere, fällt die Bewerbung schwächer aus und die Verkäufe nehmen ab. Da wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die fatal für die Erlössituation ist.

Im Augenblick ist es so, dass die Produktionskosten steil nach oben schießen, weil der Papierpreis so rasant steigt. Auch diese Entwicklung kann ein Verlag nicht beeinflussen, der Papierpreis ist ein Weltmarktpreis. Wenn sich die Kosten für Papier verdoppeln und verdreifachen, wie soll ein Verlagshaus dies auffangen? Die Lage ist bescheiden.

Wenn ein kühler Betriebswirt auf diese sympathische Branche schaut, dann wird er das kalte Grausen kriegen. Alles hängt mit den Eckpfeilern der Branche zusammen: kleine Losgröße zu kleinem Verkaufspreis. Betriebswirtschaftlich so ziemlich das Dümmste, was man machen kann. Geringe Verkäufe zu kleinem Preis. Deshalb schreien die Buchhändler ja so laut nach höheren Ladenpreisen, während die Verlag hier wegen Absatzsorgen alle Vorsicht walten lassen.

Man sieht, man darf sich unserem Tun nicht nur betriebswirtschaftlich nähern. Finanziell ist das Geschäft mit Büchern auf Kante genäht. Aber ich finde trotzdem in der Branche wenig Verzweiflung oder gar Fatalismus. Im Gegenteil: Autoren, Lektoren und Verleger gehen mit Verve, Überzeugung und Freude ihrer Arbeit nach. Es liegt an unserem wunderbaren Produkt. Die Hoffnung bleibt, sie blüht mit jedem Buch von Neuem auf.   

 

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  1. Ein Faktor, den die allermeisten Autorinnen und Autoren überhaupt nicht bedenken, sind die Kosten für Verlagsauslieferung und für den Vertrieb, die jeweils im Durchschnitt bei 10% liegen. Das schmälert noch zusätzlich die Marge für den Verlag. 35-50% als Rabatt für den Handel bedeuten eher in Richtung 50%, den sich die Barsortimenter und Amazon einbehalten. Da der stationäre Buchhandel vor allem beim Zwischenhändler bestellt, nehmen die unteren Prozentsätze (35%) eine eher untergeordnete Rolle in der Verlagskalkulation ein.

    In jedem Fall: Vielen Dank für diese toll dargelegte Aufschlüsselung und die sicherlich erhellende Information für die meisten Autorinnen und Autoren. 😀

  2. Claudia

    Bei allem Verständnis stellt sich mir dennoch die Frage, wozu genau benötige ich überhaupt noch einen Verlag, wenn ich am Besten alles selber machen soll?

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