Wenn man Branchenfremde fragt, wie hoch sie den Umsatzanteil der E-Books am gesamten Buchmarkt in Deutschland einschätzen, dann kann es abenteuerliche Antworten regnen. Ich habe es mal unter Freunden versucht, die mit dem Buchmarkt nichts zu tun haben. Zwischen 25 und 80 Prozent lauten die Schätzungen des Marktanteils. Oha! Lassen wir einfach die Statistik sprechen!
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels schaut alljährlich auf die Entwicklung der E-Books. Umsatz und Absatz seien im Jahr 2022 nur mäßig gewachsen. Nach starken Umsatzzuwächsen in den Corona-Jahren 2020 (+17,8%) und 2021 (+9,6%) konnte im ersten Halbjahr 2022 nur noch ein kleiner Umsatzzuwachs von 3 Prozent verbucht werden.
So weit, so gut. Erstaunen hingegen dürfte manchen Beobachter der Umsatzanteil, den die E-Books am gesamten Publikumsmarkt erreichen. Er liegt bei mickrigen 8,1 Prozent. Tendenz stagnierend. Und: Vor einigen Jahren ist der Anteil schon einmal wesentlich höher gewesen. Die Träume von einem Boom der E-Books sind nach und nach zerstoben. Weit über 90 Prozent der Buchkäufer wollen nach wie vor ein gedrucktes Produkt.
Bei Großverlagen spielt das E-Book im Produkt-Mix nur eine komplementäre Rolle. Für Nischen und Self Publisher mag das E-Book bisweilen funktionieren, insbesondere wenn man kreativ an der Preisschraube dreht. Es ist per se nicht schlecht, wenn ein Kunde die Auswahl erhält, eine gedruckte oder elektronische Version zu erstehen. Und dennoch muss es Gründe dafür geben, weshalb der Anteil der E-Books am Gesamtmarkt so niedrig ist.
Denn vor Jahren hatte man sie uns als disruptive Umwälzung angekündigt. Die E-Books sollten das Ende des Gutenberg-Zeitalters einläuten. Was hatte man uns nicht alles vorgeschwärmt: Diese elektronischen Bücher würden ein neues Zeitalter der Literatur einläuten, das Bücherlesen unabhängig von Zeit und Raum. Mit nützlichen Features wie dem Verstellen der Schriftgröße oder einer Merk- und Suchfunktion.
Für die Produzenten von E-Books würden paradiesische Zeiten anbrechen mit geringen Produktions- und Logistikkosten. Bestellt und geliefert werde auf Knopfdruck. Kein nerviges Vertrösten mehr im Buchhandeln und das Warten auf die Libri-Kiste am nächsten Tag. Ja, eigentlich könne der Händler seinen ollen Laden gleich ganz dichtmachen, die Buch-Revolution werde alles platt walzen.
Aber wie das mit Revolutionen halt so ist, manche Ideen gehen gründlich in die Hose. Man lässt sich von der neuen Technologie heißmachen und verliert dabei den Blick für die Vorteile der tradierten Lesegewohnheiten. Technik statt Mensch – das geht schief. Denn beim Hype um das E-Books sind die Wettbewerbsvorteile des gedruckten Buches vergessen worden. Und die sind – seit Jahrhunderten – nicht von der Hand zu weisen.
Eigentlich ist das herkömmliche Medium, das gedruckte Buch, ein an sich perfektes Produkt. Handlich, bequem, portabel. Auch für das lesende Auge des Menschen scheint es ideal. Die schwarze Type steht kraftvoll auf weißem Papier. Schwarz auf weiß. Besser geht es nicht, das wird jeder Designer bestätigen. Keine Überraschung, dass für ausführliche Texte die Papierform nach wie vor unschlagbar ist.
Eines kommt hinzu: Das Buch ist ein durch und durch sinnliches Medium. Gute Bücher kommen als kleine Kunstwerke daher, mit feinen Kapitälchen und einem warmen Schriftbild. Mit langlebiger Fadenbindung und hübschen Lesebändchen. Ein aufwändig hergestelltes Buch wird gesammelt, gehegt und gepflegt. Es ist, im Bücherschrank stehend, der Ausdruck von Bildung und Kultiviertheit.
Das elektronische Buch hingegen ist ein kaltes Medium aus Flimmerschrift mit einem Lämpchen hintendran. Es erfüllt funktional durchaus seine Aufgaben, aber es packt uns nicht so emotional, wie dies ein gedrucktes Buch tut. Wer die Sinnlichkeit großer Bibliotheken erlebt hat, kennt den Unterschied. Es grenzt an Selbstüberschätzung, ein an sich perfektes Produkt durch ein unvollkommenes ablösen zu wollen.
Und nicht zuletzt: Der Reiz eines gedruckten Buches liegt gerade in seiner linearen Struktur. Das Lesen von der ersten bis zur letzten Seite entspricht einer natürlichen Rezeptionsgewohnheit des Menschen. Die Endlichkeit eines Buches – im Gegensatz zur Unendlichkeit der virtuellen Welt – vermag Erreichtes, Erfolgtes und Wohlbehagen zu stimulieren. Es hat auch etwas Tröstliches.
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