Große Verlage verlegen in ihren Frühjahrs- und Herbstprogrammen eine erkleckliche Anzahl von Büchern. 20 bis 30 Neuerscheinungen sind keine Seltenheit, manchmal sind es noch mehr. Nun ist es so, dass ein Verlag nicht alle Novitäten gleich behandelt und auch nicht gleich behandeln kann. Ein Verlagshaus muss seine Anstrengungen fokussieren.
In vielen Programmen der großen Verlagsgruppen hat sich die Unterteilung in A-, B- und C-Titeln eingebürgert. Manche sagen das intern offen, andere verwenden dafür eine andere Begrifflichkeit. Bei wiederum anderen besteht die Kategorisierung unterschwellig oder im Hinterkopf. Was ist nun mit der Unterteilung in A, B und C gemeint?
A-Titel sind Spitzentitel. Die Memoiren eines berühmten Schauspielers, der neue Thriller eines Autors, der schon etliche Bestseller geschrieben hat. Autor ist meist ein Prominenter, ein Fernsehgesicht oder eine Person des öffentlichen Lebens. A-Titel sind Bücher, auf die sich alle Anstrengungen zentrieren. Ob dieser Aufwand dann auch in einem Spitzenverkauf mündet, steht auf einem anderen Blatt.
B-Titel sind Bücher von arrivierten Autoren, die oft schon in dem Verlag publiziert haben. Darunter fallen Bücher mit klarem Themenspektrum und fester Zielgruppe. Die Auflagenerwartung ist nicht so groß wie beim A-Titel, eher so Richtung solides Mittelfeld. Da die Autoren der B-Bücher bereits über Stammleser verfügen, verkaufen sie sich auch ohne großen Mitteleinsatz.
C-Titel, das sind die Newcomer. Neue Autoren, frischer Nachwuchs, innovative Themen. Auch wichtig, um junges Blut – thematisch und ad personam – dem Programm zuzuführen. Doch welcher Autor und welches Thema zünden, nobody knows. Da hat man dann 10 C-Titel im Programm, nur einer oder zwei davon werden sich durchsetzen. Für den Verlag dienen diese Bücher als Experimentierfeld, die allermeisten C-Titel sind ein Zuschussgeschäft, aber verzichten kann man auch nicht auf sie.
Ein neuer Autor wird in der Regel auf der C-Ebene anfangen. Wenn man von dieser Unterteilung weiß, sollte das Ziel sein, von C auf B aufzusteigen. Oder auf die A-Ebene. Was allerdings höchst selten passiert. Der herkömmliche Weg ist vom C-Neulings- in den B-Mittelfeld-Status. Was muss passieren, damit dies geschieht? Wie gelingt es, dass ein Verlag von heute auf morgen einen C-Titel hochstuft? Es ist durchaus möglich.
Der übliche Weg ist folgender: Lange vor Drucktermin besucht der Außendienst der großen Verlage über Wochen die Buchhandlungen. Für einen Großverlag reisen dafür etwa sechs bis 10 Handelsvertreter durch ganz Deutschland, durch Österreich und die Schweiz. Auf ihren Präsentationen stellen die Vertreter alle neuen Titel vor und schreiben Vorbestellungen auf. Die Zahl der Vorbestellungen trudelt jeden Tag in den Vertriebsabteilungen der Verlage ein und werden dort genau analysiert.
Diese Vorbestell-Phase durch die Vertreter kann durchaus mit Überraschungen aufwarten. So mancher Spitzentitel entpuppt sich dann wegen niedriger Vorbestellungen bereits im Vorhinein als Flop. So wie umgekehrt jemand aus der Riege der C-Titel auf unerwartet hohe Vorbestellungen kommen kann. Aus tausend Gründen. Weil das Thema den Nerv trifft, weil der Titel spannend klingt, weil das Cover toll ist.
Die vorbestellten Bücher werden dann nach Erscheinen an den Handel ausgeliefert. Ist ein Buch erstmal im Handel, dann ist dies schon ein guter Erfolg. Rein-Verkauf ist Raus-Verkauf, sagen die Vertriebler. Die Remissions-Quote bei Büchern ist traditionell gering, lediglich knapp 10 Prozent werden als unverkauft an den Verlag zurückgeschickt.
Einem C-Titel kann nichts Besseres passieren als hohe Vorbestellungen. Der Verlag wird diesen Titel sofort anders und besser behandeln. Mehr Marketing, mehr Pressearbeit, mehr Push-Order an den Außendienst, der Titel wird allgemein stärker herausgestellt. Dazu vielleicht noch Partien-Angebote über 12/10 (ein verdeckter zusätzlicher Rabatt: Wenn der Händler 10 Exemplare bestellt, bekommt er 2 Exemplare ohne Berechnung obendrauf geliefert). Und als Sahnehaube des Ganzen: Die Druckauflage wird erhöht.
Anders herum gilt allerdings auch: Wenn ein C-Titel bei den Vorbestellungen im Buchhandel nicht zündet, so wird er auch später eher selten gut verkaufen. Da die Erwartungen aber bei C-Titeln eher bescheiden sind, fällt dies nicht so ins Gewicht, wie der umgekehrte Fall.
Wer einmal besonders hohe Vorbestellungen verbucht hat, der macht auch in der Autoren-Hierarchie eines Verlages einen guten Sprung nach oben. In der Regel wird er einen Anschlussvertrag bekommen, zu besseren Konditionen. Und sein nächstes Buch wird dann nicht mehr auf der C-Ebene starten. Durch den Verkaufszuspruch ist er zum B-Level aufgestiegen. Das Buch und der Autor gleich mit.
Eva Hobbs
Lieber Herr Stock,
vielen Dank für Ihre tiefen Einblicke ins Verlagsgeschehen und in alles rund um die Buchveröffentlichung und (schwierige) Sichtbarwerdung. Das hat mir zwar einerseits einiges an Naivität geraubt, lässt mich aber gleichzeitig meine bisherigen Versuche und das „Scheitern“ in einem anderen Licht sehen (Stichwort: 80 Prozent bleiben unter 100 Exemplaren). Im Selfpublishing ist das offenbar noch viel schwieriger, als im Verlagswesen. Außer man schafft es, ein Zielpublikum zu bedienen, das „0815-Stories in leicht wechselndem Gewand“ bedient. Alleine das schon ist eine Kunst für sich. Für mich und meine drittes, bereits fertiges Buch heißt das aber trotzdem, dass ich mich, wie beim ersten vor 25 Jahren, auf Verlags- bzw. Agentursuche machen werde. Vielen Dank für Ihre guten Blogartikel! Liebe Grüße, Eva Hobbs
Renate Möbius
Sehr geehrter Herr Stock,
besten Dank für diesen Beitrag. Ich habe Ihre Zeilen mit großem Interesse gelesen und denke, dass ich nun etwas schlauer geworden bin. Mit freundlichem Gruß! Renate Möbius