Von allen Autoren, die ich betreuen durfte, ist er der beste Stilist gewesen. Als Schreiber kam keiner an ihn heran. Der Abstand zum nächsten war riesengroß. Tom Wolfe galt zu recht als einer der ganz Großen der anspruchsvollen Unterhaltungsliteratur.
Der schlanke und stets dandyhaft gekleidete Autor, war der bekannteste Protagonist jener neuen Schreibart, die man New Journalism nennt. Dieser neue Journalismus ist eine Revolution unter damaligen Schreibern gewesen, eine Abrechnung mit der behäbig gewordenen Vätergeneration.
Die Fakten werden in eine packende fiktionale Erzählung eingebaut. Fortan gilt es Szenen zu beschreiben, nicht mehr so sehr Handlungen. Tom Wolfe ist gemeinsam mit Hunter S. Thompson, Michael Herr und Gay Talese einer der Ahnväter des New Journalism. Und der erfolgreichste von allen war Tom obendrein.
Im Jahr 1990 hatte ich die Ehre, ein Buch von Tom Wolfe zu verlegen: Die neue Welt des Robert Noyce – Eine Pioniergeschichte aus dem Silicon Valley. Ursprunglich war dies 1983 ein langer Aufsatz in Esquire unter dem Titel The Tinkerings of Robert Noyce, und mir kam die Idee, für Deutschland daraus ein kleines Buch zu machen.
Ich hatte Tom Wolfe auf der Buchmesse getroffen und der bestens verdrahtete Literaturagent Michael Meller aus München besorgte nun das Copyright beim Autor auf Long Island. Stolz hielt ich nach einigen Wochen den Lizenzvertrag mit der geschwungenen Unterschrift von Tom Wolfe in Händen.
Bei der Story geht es um die Gründerjahre im Silicon Valley, als Intel-Ingenieur Robert Noyce den integrierten Schaltkreis erfand. Im Halbleitergeschäft hatte die Forschung den Stellenwert, den das Werfen beim Baseball hat; sie macht 60 Prozent des Spiels aus. So großartig beginnt dieser Tom Wolfe seine Geschichte, und er hält wunderbar den Spannungsbogen bis zur letzten Seite. Genial wie Wolfe in dieser kleinen Story die knisternde Atmosphäre der Anfangsjahre in der kalifornischen Computerindustrie rund um San Francisco einfängt.
Er beschreibt eine kleine, heute weitgehend vergessene Episode mit grosser Wirkung, ein Anfang, der die ganze Welt revolutionieren sollte. Wie detailgenau, kenntnisreich und anschaulich Wolfe die eigentlich trockene Materie angeht, das macht ihm so schnell keiner nach. Wer wissen möchte, welche Aufbruchstimmung und welche Begeisterungsfähigkeit die Anfänge des Silicon Valley bestimmten, der sollte sich in dieses Buch fallen lassen.
Tom Wolfe besaß einen eleganten, sehr präzisen Stil, seine Stücke sind immer genau recherchiert gewesen und er verfügte über einen sehr gleichmäßigen Satzrhythmus. Während ein Hunter S. Thompson geschrieben hat wie Charlie Parker sein Saxophon spielt, wild, rebellisch, ohne Konvention, so ist Tom Wolfe ein George Gershwin des Schreibens gewesen: große Symphonie, genaue Taktung, präzise, auf Effekte und Pointen zugeschnitten, ein Donnerwetter – gewaltig, krachend, aber doch immer von einer gewissen Leichtigkeit getragen.
Und, man darf es nicht vergessen, höchst unterhaltsam. Ein ganz großer Schreiber. Im Mai 2018 hat ihn der liebe Gott aus dieser Welt abberufen und in den Autoren-Himmel befohlen. Dort werden die Kollegen eine Menge Spass haben an seinen vergnüglichen Erzählungen.
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