Wolfgang Stock
Autoren-Brief
Die launige Meinungs-Kolumne.
Gerne zugespitzt. Nicht die Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON Verlag.
Foto: Daniel Biskup.

Neulich fragte im Forum ein Fernfahrer, ob er überhaupt eine Chance als Autor habe. Sein Leben, so seine Aussage, sei ja nicht groß interessant gewesen. Einspruch, Euer Ehren! Es macht mich immer wieder trübsinnig, wie manche Frauen und Männer ihr Leben kleinreden. Ebenso, wie mich amüsiert, wenn manche ihr Leben überhöhen. Beides finde ich befremdlich.

Natürlich ist das Leben dieses Fernfahrers interessant, jedes Leben besitzt etwas Besonderes. Der Mensch fängt nicht beim Abitur an, man muss nicht den Himalaya besteigen, um Außergewöhnliches zu leisten. Als Trucker hat er sicher viel erlebt auf seinen Touren, in Deutschland und in Europa. Sein Thema liegt, nicht nur im sprichwörtlichen Sinne, auf der Straße.

Eigentlich schon die Grundlage für ein gutes Buch. Ich schildere, was ich erlebt habe. Nicht, was ich fabuliert und mir zusammengereimt habe. Authentizität ist wichtig, ein Buch muss glaubhaft sein, ein Autor verbürgt sich für den Inhalt. Wenn einem Buchprojekt die Glaubwürdigkeit abgeht, macht er sich angreifbar, das Marketing wirkt aufgesetzt und die Marktchancen gehen gegen null.

Die zentrale Prämisse für ein authentisches Buchprojekt: Das Thema muss zum Autor passen. Ebenso wie der Autor zum Thema. Mein Rat an den Fernfahrer wäre insofern: Ein Krimi im Fernfahrer-Milieu, ein informatives Sachbuch für Trucker, ein kritisches Buch über die Strukturen in der Branche. Alles plausibel, würde alles passen. Ein Thriller aus der Finanzwelt – eher nicht.

Wenn wir uns im Lektorat auf Autorensuche begaben, dann hatten wir in den allermeisten Fällen das Thema zuerst. Suchten wir einen Buchautor zum Thema Inflation, dann klapperten wir die Lehrstühle ab, befragten die Wirtschaftsinstitute, besuchten die Wirtschaftsredaktionen der wichtigen Zeitungen. Irgendwo wartete unser Autor. Die Aufgabe eines Lektors war, den Bestmöglichen zu finden.

Das Thema sucht sich seinen Autor, wie wir zu sagen pflegten. Heute heißt es, das Buch muss zum Autor passen. Oder man nennt es fachsprachlich Autorenkompetenz. Mit Autorenkompetenz meine ich nicht nur die Grundlagen des Schreibens. Textsicherheit, Aufbau, Stil, Grammatik, Spannungsbogen. Sicher, auch alles Fähigkeiten, aber eher im Sinne von Rüstzeug, also eigentlich selbstverständlich in dem Metier.

Meine Auffassung der Autorenkompetenz geht ein gutes Stück über die bloßen Autoren-Skills hinaus. Bei der Beurteilung des Gesamtprojektes muss man auf Schlüssigkeit achten. Jeder Autor und jede Autorin muss sich offen und hart einer kritischen Frage aussetzen: Was befähigt mich, dieses Buch zu schreiben?  

Dazu muss ein Autor sich zunächst über seine Kompetenz im Klaren sein. Ich habe oft erlebt, gerade bei Neulingen, dass man hier ins Schwimmen gekommen ist. Manchmal ist es so, dass irgendwelche Wunschvorstellungen den wahren Kompetenzkern eines Autors vernebeln. Man muss letztlich den Mut aufbringen, sich selber in Frage zu stellen: Genau worin liegt meine Kompetenz als Autor dieses Buchprojektes? Bin ich als Autor dieses Buches glaubwürdig? 

Schnell wird man einwerfen, dass die Autorenkompetenz in manchen Bereichen an ihre Grenzen stößt. Um einen Krimi zu schreiben, muss man kein Mörder sein. Man muss nicht ins All geflogen sein, um in Science Fiction heimisch zu werden. Wer übers Mittelalter schreibt, kann auch im 21. Jahrhundert geboren sein. Klar, aber dennoch gibt es Know-how und Erfahrungen, die einem helfen. Fachkunde von der Juristerei über die Physik bis hin zum Berufsalltag.

Nach meiner Erfahrung steht bei einem Buchprojekt meist das Thema im Fokus. Erst daraus leitet sich die Autorschaft ab. Ist dies mein Thema? Ist mein Text authentisch? Solche Fragen müssen mit einem kräftigen Ja beantwortet werden. Glaubwürdigkeit, darum geht es im Grunde, sie ist die Conditio sine qua non. Ohne Authentizität wird alles scheitern.

Auf die glaubwürdige Symbiose von Autor und Thema achten Lektoren und Literaturagenten bei der Beurteilung eines Buchprojektes besonders. Und die Leserschaft merkt so etwas auch. Ein gutes Buch sollte deshalb wie ein perfect match daherkommen: Autor und Thema müssen passen wie Deckel auf Topf.

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