Die launige Meinungs-Kolumne.
Gerne zugespitzt. Nicht die Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON Verlag.
Foto: Daniel Biskup.

Als Autor oder als Autorin bei einem Buchverlag werden Sie über einen Begriff stolpern, der Ihnen bis dato wahrscheinlich wenig aufgefallen ist. Dieses Wort heißt Zahlungsziel. Dieser Terminus aus dem Rechnungswesen meint, Geld ist eigentlich fällig, wird aber später ausbezahlt. Ökonomisch ist ein Zahlungsziel gleichsam wie ein Kredit.

Doch wer gibt hier eigentlich wem einen Kredit? Wer ist Gläubiger und wer Schuldner? In der Verlagsbranche ist dies eine nicht unwichtige Frage. Schauen wir uns einmal die Wertschöpfungskette Autor zu Verlag zu Handel zu Kunde einmal genauer an.

Fangen wir bei der Vermarktungskette am Ende an. Wenn der Kunde ein Buch in der Buchhandlung um die Ecke oder bei Amazon kauft, dann zahlt er meist sofort. Der Buchhändler kriegt also sein Geld ohne Verzug.

Für die Beziehung Buchhandel zu Verlag sieht es schon anders aus. Wenn der Verlag seine Bücher über Außendienst-Bestellungen liefert, dann oft mit einem attraktiven Zahlungsziel von 60 Tagen. Das heißt, der Handel erhält die Bücher, muss die Rechnung dafür aber erst ein paar Wochen später begleichen. Das lange Zahlungsziel, das der Verlag dem Handel einräumt, wirkt hier wie ein zusätzlicher Rabatt. 

Der Leser zahlt sofort, der Händler erst ein paar Monate später. Das Geld fließt langsamer. Sie ahnen es vielleicht schon, je weiter wir uns in der Wertschöpfungskette nach vorne robben, desto länger fällt das Zahlungsziel aus. Wie sieht es nun bei einem Verlag zu Autor aus?

In der Regel rechnen Großverlage mit ihren Autoren einmal jährlich ab, manchmal auch halbjährlich. Bei Jahresabrechnungen werden zum Stichtag 31. Dezember die Verkäufe aufgelistet und die Tantieme errechnet. Aber zum 31. Dezember fließt kein Geld vom Verlag an den Autor. Fürs Ausrechen braucht man Zeit, und das Überweisen geht auch nicht von heute auf morgen. Deshalb besitzen die Standardverträge der Verlage meist das Abrechnungsziel 31. März des Folgejahres.

Bitter für den Autor. Wenn es nun ganz blöd läuft und von einem Autor ein Buch im Februar 2023 erscheint, dann sieht dieser Autor sein erstes Geld erst im März 2024. Also mehr als ein Jahr später. Unter der Voraussetzung, dass dieser Autor für sein Buch vom Verlag keinen Vorschuss erhalten hat.

Doch damit ist aus Autorensicht der Zahlungszeitpunkt ja noch eng definiert. Denn bevor sein Buch erscheint, sitzt ein Autor monatelang am Manuskript, davor noch die Recherche, zuvor Ideenskizze und Konzept. Nicht wenige Autoren brauchen für den ganzen kreativen Prozess ein oder zwei Jahre.

Die Person, die das längste Zahlungsziel ertragen muss, ist der Autor. Zwischen Buchidee und Geldeingang können locker mal drei, vier Jahre liegen. Derjenige, der die eigentliche kreative Leistung erbringt, rückt damit an das Ende des Geldflusses. Obwohl er an erster Stelle der Wertschöpfung steht. Denn letzten beißen die Hunde. Bei den Autoren ist es der Erste.

Die Quelle der Kreativität im Buchbereich – der Autor – sieht als Letzter sein Geld. Dieser Mechanismus verrät viel über die Machtverhältnisse und die Engpässe in der Verlagsbranche. Keine Frage, unser Gewerbe ist finanziell nicht auf Rosen gebettet. Alle Stationen von Autor über Verlag zu Handel kalkulieren extrem eng. Aber in Bezug auf den Geldeingang ist der Autor der eigentlich Gekniffene.

Wie komme ich als Buchautor raus aus dieser Zwickmühle? Die Benachteiligung der Autoren beim Geldfluss zeigt, wie wichtig für Autoren und Autorinnen ein guter Vorschuss ist. Oder besser: ein Garantiehonorar als ein nicht rückzahlbarer Vorschuss.

Es gelten keine Ausreden. Will der Verlag nicht vorschießen, dann wertschätzt er Ihr Manuskript nicht. Kann er aus wirtschaftlichen Gründen keinen Vorschuss zahlen, dann sind Sie ohnedies an der falschen Adresse. Wie auch immer, auf ein Garantiehonorar sollte jeder Autor und jede Autorin bestehen. Ansonsten muss man sich seinem galligen Schicksal fügen. Der Autor verbleibt in puncto Geld am Ende der Nahrungskette.

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