Auf der Frankfurter Buchmesse bin ich im zwanglosen Gespräch über eine bemerkenswerte Aussage gestolpert. Mit Marketing will ich nichts zu tun haben, meint da ein aufgebrachter Buchautor. Ich bin froh, wenn der Verlag das übernimmt. Oha! Da musste ich dann doch zweimal tief durchatmen.
Eine solche Verweigerungshaltung, sie ist nicht untypisch in kreativen Branchen, trifft man in der Autorenschaft gerade von belletristischen Werken des Öfteren an. Marketing, Werbung oder Kommerz, das ist irgendetwas zwischen bäh und igitt. Ein krummes Verschachern, unter Zuhilfenahme von Täuschung und Trickserei.
Als Schöngeist möchte man sich mit solch windigen Methoden jedenfalls nicht die Hände beschmutzen. Menschlich vielleicht noch nachvollziehbar, fachlich bewegt sich ein Autor oder eine Autorin mit solchen Attitüden jedoch mit vollem Karacho in eine Sackgasse.
Als größten Irrtum erkenne ich eine vollkommen falsche Einschätzung zur Stärke und zu den Möglichkeiten eines Verlagshauses. Die nackte Wahrheit ist: Ein Verlag wird „das Marketing“ für einen unbekannten Autor nicht abdecken. Kleinen Verlagen fehlt dazu das Geld und selbst die großen Verlagsgruppen klotzen nur bei den Spitzentiteln. Die knappen Ressourcen in unserer kleinteiligen Branche müssen überall klug verteilt werden. Marketing mit der Gießkanne funktioniert erwiesenermaßen nicht, man muss schon mit dem Gartenschlauch kräftig auf eine Stelle draufhalten.
Ein gesunder Verlag kann – grob gerechnet – etwa 10 Prozent seines Umsatzes für Marketing ausgeben. Das ist schon überaus großzügig gemessen. Wenn ein Taschenbuch 5.000 Exemplare verkauft, zu 12,00 Euro, dann hat der Verlag kalkulatorisch einen Marketingetat von 6.000 Euro für diesen Buchtitel zur Verfügung. Hört sich nach viel an. Sind aber Peanuts.
Träume vieler Autoren von großen Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften sind da schnell ausgeträumt. Dazu eine Frage: Was schätzen Sie, wie viel kostet eine Anzeigenseite in DER SPIEGEL? Ich verrate es Ihnen: 99.500 Euro. Für eine einmalige Schaltung. Ich sage dies, damit Sie nachvollziehen können, was man mit 6.000 Euro im Marketing so anstellen kann. Nämlich wenig bis nichts. Zumal auch kleinere Titel davon ihren Anteil an den Marketing-Overheads übernehmen müssen.
Aus diesem Grund konzentrieren Verlage ihre knappen Etats lieber auf sogenannte A-Titel. Als A-Titel bezeichnet man die Neuerscheinungen von Berühmtheiten mit Bestseller-Flair. Schauspieler mit ihren Biografien, Prinzessinnen mit dem Blick durchs Schlüsselloch. B-Titel sind solche von bereits eingeführten Autoren mit Stammpublikum, die auch so ihre Käufer finden. Und die C-Titel? Das sind die Novizen. Die fallen in der Hackordnung meist hinten runter.
Die Realität in den Verlagshäusern sieht so aus, dass 80 Prozent der Autoren mit dem Mager-Marketing vorlieb nehmen müssen. Listung in den Verzeichnissen, Präsentation in der Vorschau, Nennung auf den Bestellbögen der Vertreter. Mehr nicht. Anzeigen, PoS-Aktionen, Online-Marketing, Präsentationen, Pressearbeit – all dies findet nicht oder nur rudimentär für die allermeisten Titel statt. Kann man beklagen, anders können Verlage jedoch nicht überleben.
Wenn der Verlag die Bewerbung eines Titels nicht oder nur verkümmert erfüllt, dann fällt das Marketing zurück in den Schoß es Autors. Die Aversion jedoch bleibt bei vielen, der bunte Werbekosmos passt nicht zur Welt der hehren Literaten. Kann man sich Thomas Mann oder Franz Kafka als Marketer vorstellen? Wohl kaum. Allerdings bringt es nichts, Marketing wie schlimmen Hautausschlag zu betrachten. Irgendeiner muss in einem Markt mit breitem Angebot die Nachfrage stimulieren.
Lassen Sie uns ein wenig zuspitzen. Ersetzen wir Marketing in der Aussage einfach durch den verwandten Begriff Verkaufen, oder noch besser, durch den Ausdruck an den Kunden bringen. Das Buch zum Kunden bringen. Hört sich schon anders an! Will damit ein Autor oder eine Autorin wirklich nichts zu tun haben? Will ein Autor einem potentiellen Käufer tatsächlich nichts über sein Buch erzählen? Ich mag es kaum glauben, es wäre jedenfalls eine vertane Chance.
Dabei kann ein Autor einiges bewegen. Er tummelt sich in der Zielgruppe, er weiß, wer die Leser seines Buches sind und wie man sie erreichen kann. Auch mit einfachen Bordmitteln lässt sich der Buchverkauf ankurbeln. Man muss nur auf die Menschen zugehen: auf Multiplikatoren, die man kennt. Auf Personen, die man während der Recherche kennengelernt hat. Dazu Social Media. Und der Kontakt zum örtlichen Buchhändler. Es gibt genug Möglichkeiten, man muss nur wollen.
Im Self Publishing ist dieses Guerilla-Marketing Tagesgeschäft. Über diese unorthodoxe Art der Bewerbung sind spannende Bücher geschrieben worden. Die Botschaft: mit geringem Mitteleinsatz eine große Wirkung erzielen. Gerade in unserer überschaubaren Branche sind neue und unkonventionelle Ideen gefragt, um bei geringen Kosten eine möglichst große Anzahl von potentiellen Kunden zu erreichen.
Es hilft alles nichts. Auch ein Autor – ob Verlagsautor oder Self Publisher – muss Marketing machen für sein Buch. Davon wird er nicht verschont bleiben. Es sei denn, er will nichts verkaufen und keine Tantiemen einnehmen. Denn letztlich bedeutet eine Verweigerungshaltung beim Marketing für den Autor: Ich möchte mit meinem Buch kein Geld verdienen.
Stefan Schröder
Lieber Herr Stock,
frohes Neues das wünsche ich Ihnen und das will man schreiben, aber die Probleme im alten Jahr sind auch die Probleme im neuen Jahr. Ein paar Wunder hat es zum Jahreswechsel hoffentlich gegebenen, doch der Buchmarkt bleibt eng. Ich finde Ihre Gedanken sehr anregend und hilfreich – wie immer. Einen Aspekt will ich ergänzen. Es mag oft ein zu geringes Engagement bei Autoren zum Thema Marketing geben, aber sie können es auch oft einfach schlichtweg nicht gut, vermute ich. Wer gerne in seinem Zimmer am Schreibtisch sitzt und in die Tasten haut, ist ggf. eher nicht die „Rampensau“, die sich gerne ins Getümmel und auf Menschen stürzt. Ohne „Vogue“ Gesicht, knackigen Po (Stichwort „Schreibtischarbeit“) oder vermarktbarem „Dekolleté“ sind die Anfänge auf Instagram und Co. zäh. Was Sie geschrieben haben, stimmt aber natürlich trotzdem. Man muss es sich nur bewusst machen und entsprechend kompensieren. VG