Nur wenn ein Verlag professionell aufgestellt ist und umfangreiches Know-how einzubringen vermag, nur dann wird er die Bücher seiner Autoren in hohen Stückzahlen verkaufen können. Doch welche Dienstleistungen und welche Tätigkeiten sollte ein vorbildlich geführtes Verlagshaus abdecken?
Ein Verlag ist ein vielschichtiges Konstrukt. Mit spezialisierten Abteilungen, kleinteiligen Aktivitäten und eher nischigen Kompetenzen. Nur wenn all diese so unterschiedlichen Rädchen ineinander greifen, ist ein Medienhaus schlagkräftig und wird seinem Autor oder seiner Autorin eine Menge Spaß und Freude bereiten.
Nachstehend habe ich zunächst solche Dienstleitungen aufgeführt, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Dann aber auch solche, die nicht immer angeboten werden, die aber idealerweise vorhanden sein sollten. Weil diese Tätigkeiten einen Unterschied machen und für den Erfolg eines Buches die entscheidende Rolle spielen können. Hier aus der Insider-Sicht jene 15 Services, die ein Verlag im besten Fall seinen Autoren – selbstredend kostenlos – anbieten sollte:
- Engagiertes Lektorat. Ein guter Lektor oder eine gute Lektorin heben das Manuskript auf eine neue Ebene. Das Lektorat ist zuständig für Inhalt, Aufbau, Sprache und betreut das Projekt en toto. Bei der Zuteilung eines Lektors durch den Verlag kann man Glück oder Pech haben. Wie so oft im Leben.
- Gewissenhaftes Korrektorat. Der Korrektor ist zuständig für Orthographie und Grammatik. Manchmal auch für den Check von Zahlen und Namen. Sonst erledigt diese Überprüfung der Lektor. Sorgfalt und der Blick fürs Detail sind das Rüstzeug eines guten Korrektors.
- Ideenreiche Herstellung. Mehr als bloßes Drucken: Eine professionelle Herstellungs-Abteilung hat dafür zu sorgen, dass Bücher in Satzbild, Grafik und Druck einen eigenen Charakter erhalten. Ein Buch sollte Persönlichkeit ausstrahlen, darf kein 08/15-Produkt sein. Dies liegt in der Verantwortung der Herstellung. Hier gehen Technik und Kreativität Hand in Hand, beispielsweise bei Cover-Gestaltung, Ausstattung und Papierwahl.
- Digital Publishing. E-Books in allen Variationen, Apps, Belieferung fremder Plattformen, Pflege der Verlags-Page. Im Digitalen gibt es immer etwas zu schrauben.
- Gutes Marketing. Erfolgreiches Marketing und erfolgreiche Bücher sind Brüderpaare. Gut aufgestellt ist eine Abteilung mit Spezialisten für die verschiedenen Werbekanäle, von Online über Social Media bis Handelsmarketing. Daraus ergibt sich zur Bewertung eines Verlages eine interessante Frage: Wie viele Personen arbeiten im Marketing?
- Erfahrene Presseabteilung. Besprechungen in Zeitungen und Zeitschriften sind immer noch ein bewährter Weg, um Bücher bekannt zu machen. Von TV nicht zu reden. Auch Blogger werden immer wichtiger. Eine gute Presseabteilung kennt die Ansprechpartner in den Redaktionen, hat die Telefonnummern und besitzt die Kenntnis, was zu wem passt.
- Buchlesungen. Ein Geschenk des Himmels: Jene Person im Verlag, die Lesungen akquiriert und organisiert. Lesungen sind für einen Autor gleich zweifach erfreulich. Es gibt ein kleines Zusatzhonorar und sie dienen zugleich der Promotion des Buches.
- Außendienst. Besitzt der Verlag einen Außendienst für den Buchhandel? Verlagsvertreter arbeiten in der Regel mit Gebietsschutz. Also pro Verlag einer für Bayern, ein anderer für Hessen. Je mehr Vertreter und je kleiner die Gebiete, desto intensiver kann man reinverkaufen (beim Handel Vorbestellungen erfassen). Und ohne den Handel wird es sowieso schwer.
- Key Account. Jeder erfolgreiche Verlag braucht ein Key Account, so nennt man das Großkundengeschäft. Kunden sind da die Thalias, Hugendubels und Amazons dieser Welt. Diese Schwergewichte erhalten vom Verlag eine Sonderbehandlung wegen der (hoffentlich) hohen Bestellzahlen.
- Lohnende Nebenmärkte. Werden die lukrativen Nebenmärkte bearbeitet? Also Gesundheitsbücher in Apotheken, Gartenbücher beim Floristen.
- Messen und Veranstaltungen. Nimmt der Verlag an den großen Messen (Frankfurt und Leipzig) teil? Findet man ihn auch auf den kleinen Regional- oder Themen-Messen oder bei den Veranstaltungen in den Literaturhäusern.
- Zuverlässige Honorar-Abteilung. Diese Abteilung überweist Ihre Tantieme. Oft Teil der Buchhaltung. Bei einem Verlagsbesuch immer freundlich grüßen!
- Emsiges Industriegeschäft. Kein schönes Wort, aber so hieß die Abteilung bei uns. Gemeint sind potentielle Kooperationspartner außerhalb der Branche. Beispiel: Ein Fitness-Buch wird in einer einmaligen (hohen) Sonderauflage (mit eigenem Umschlag oder Flappe) für eine Fitness Studio-Kette re-produziert, die es als Geschenk für Kunden einsetzt. Gerade zu Weihnachten und Neujahr ein bemerkenswertes Geschäft.
- Internationale Agenten. Hat der Verlag (feste oder freie) Statthalter im Ausland, die Lizenzen kaufen und verkaufen? Auslandsausgaben sind für Verlag und Autor schöne Erfolge, sie bringen Geld und Renommee. Oft übernehmen die Agenten im Ausland auch das Scouting. Scouts sind freie Mitarbeiter, die nach neuen Themen und Büchern suchen. Der ECON Verlag hatte Büros in New York, London und Paris. Klar, jetzt bewegen wir uns in ziemlich hoher Luft.
- Aktive Lizenz-Abteilung. Hat der Verlag eine Abteilung, die engagiert die bunte Palette von Nebenrechten verkauft? Vorabdrucke, Audio-Rechte, TB-Rechte bei Hardcover, Verfilmungs-Rechte, MA-Rechte. Im Einzelfall gibt es noch einige mehr.
Diese 15 Punkte beschreiben für einen Autor den Idealtypus eines Verlages. Wenn man neu ist, sollte man ruhig danach fragen. Wer schon Autor ist und der Verlag löst das allermeiste ein – Bingo!
Umgekehrt wird’s heikel. Wenn ein Verlagshaus nur wenige dieser Dienstleitungen anbietet, ist das für ihn ein Armutszeugnis. Weil es diese Erfolgsfaktoren ja nicht nur dem Autor vorenthält, sondern sich selbst gleich auch. Da werden weder Autor noch Verlag froh.
In einem solchen Fall würde ich Self Publishing als Alternative in Betracht ziehen und die Auflistung als grobe To-do-Liste sehen, mit der Ambition, zumindest fünf oder sechs Dienstleistungen aufzugreifen. In einem solchen Fall muss man zwar alles selber machen oder zukaufen. Dies ist ehrgeizig, mühselig und auch teuer. Doch man erspart sich ein Ärgernis: den schwachen Verkauf in einem schwachen Verlag.
Helge Holm
Sehr geehrter Herr Stock,
das klingt wirklich nach paradiesischen Zuständen. Der Markt für Autoren ist aber zumeist ein anderer. Glücklich kann sich schätzen, wer einen Verlag gefunden hat. Eine Auswahl haben doch sicher nur die wenigsten. Wer sie hat und eine solche Perle findet, der hat dann wohl die Stecknadel im Heuhaufen entdeckt.
Schön, wenn ich irren würde. Meine Erfahrungen sind aber so wie geschildert.
Hans Peter Roentgen
Lieber Helge Holm,
ja sie haben Recht. Die meisten schätzen sich glücklich, wenn sie überhaupt einen Verlag gefunden haben.
Aber eine Autorin muss nicht jedes Verlagsangebot annehmen und ein Autor auch nicht. Herr Stock hat da völlig recht: Da sollte man prüfen, was ein Verlag bietet. Nicht alle Punkte müssen erfüllt sein, aber doch genügend.
Ein Beispiel: Mancher kleine Verlag ist regional gut aufgestellt. Seine Bücher finden sich in jeder Buchhandlung der Region, aber nicht außerhalb. Wer ein Buch, zB einen Regiokrimi, über diese Region geschrieben hat, wäre auch mit so einem Verlag gut bedient.
Leider gibt es auch die Kleinverlage, da ist die Begeisterung für die Literatur größer als die Marketing-Fähigkeit. Und in solchen Fällen sollte man sich überlegen, ob nicht Selfpublishing die bessere Alternative ist. Einige Kundinnen und Kunden von mir haben leider da schmerzliche Erfahrungen hinter sich. Eine hat erst vor kurzem – nach einigen fragwürdigen Kleinverlagserfahrungen – den Durchbruch mit Selfpublishing geschafft.
Natürlich gibt es auch seriöse Kleinverlage, die eine gute Wahl sind, kein Zweifel. Aber einfach jeden zu nehmen, nur weil er als Einziger bereit ist, das würde ich nicht tun. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Da hat Herr Stock völlig recht
Herzliche Grüße, Hans Peter Roentgen