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Ein Treffen mit Leo Brawand

Brawand

Leo Brawand, Manager sind auch nur Menschen

Es ist das einflussreichste Magazin in Deutschland nach dem Krieg. Das Sturmgeschütz der Demokratie. Die Skandalaufdecker vom Dienst. Jene Wochenzeitschrift mit dem roten Rahmen aus Hamburg. Der Spiegel. Als Gründer kennt man Rudolf Augstein, er war der Mann vor, hinter und über dem Magazin.

Doch neben Augstein und Johannes K. Engel gab es noch einen anderen Mann, der den Spiegel prägte. Leo Brawand. Ein Mann der ersten Stunde.

Ich lernte Leo Brawand 1993 kennen, als er bei ECON ein amüsantes Management-Brevier verlegte. Manager sind auch nur Menschen, ein köstliches Buch über die Eitelkeiten und Marotten der hiesigen Wirtschaftselite. Den hübschen Titel haben Leo Brawand und ich gemeinsam ausbaldowert.

Dies ist ein Buch mit vielen Anekdoten aus der weiten Welt des Managements, mal lustig, mal listig, auf jeder Seite mit einem hintersinnigen Humor und hohem Unterhaltungswert ausgestattet. Als ehemaliger Wirtschafts-Ressortleiter des SPIEGEL und Chefredakteur des manager magazin kannte er das ganze Affentheater in der Bel Etage der Führungskräfte.

Das Bearbeiten des Manuskriptes war für den Lektor, den Verfasser dieser Zeilen, ein Klacks. Es gab wenig zu redigieren und viel zu lachen. Die spitzen Illustrationen von Wolf Erlbruch, auf den mich die American Express-Werbung brachte, ergänzten das Buch wunderbar.

Leo Brawand war einer der besten Journalisten zwischen Flensburg und Garmisch. Wahrscheinlich Mitglied in den ewigen Top Twenty der deutschen Publizisten. Journalismus blieb bei ihm Charakterfrage. Er kannte keine Berührungsangst, er war unerschrocken und ließ sich von keinem einschüchtern. Er hegte keinen falschen Respekt, war zugleich aber auch kein Zyniker, wie sie in der schreibenden Zunft häufig anzutreffen sind.

Die sogenannte Spiegel-Affäre meisterte er mit Courage und Bravour. Als der Staatsschutz im Oktober 1962 die Redaktionsräume des SPIEGEL aufsuchte, versteckte sich Leo Brawand flugs in seinem Garderobenschrank und entkam so der Verhaftung. Der inhaftierte Augstein machte Brawand auf einem Zettel aus der Gefängniszelle dann zum kommissarischen Spiegel-Chefredakteur. Und so wurde Leo, der tapfere Mann aus dem Schrank, für 103 Tage Chefredakteur des Spiegel.

Wir saßen bei Kaffee und Kuchen im Garten seines hübschen alten Bungalows in Hamburg-Rahlstedt, und es war eine Freude dem ausgebildeten Englischlehrer zuzuhören. Der Mann mit dem buschigen Schnauzer und dem streng zurückgekämmten Haar nahm sein Publikum mit seinem verschmitzten, pfiffigen Humor schnell ein. Und er schonte keinen.

Leo Brawand hatte viel gesehen und erlebt und konnte auch packend erzählen. Er war eloquent, aber kein Aufschneider. Mit seinem Hannoveraner Mutterwitz würzte er seine Geschichten und vermochte zum guten Schluss auch selber darüber lachen. Dieser Hang zur Ironie und Selbstironie machte ihn besonders sympathisch.

In seiner Diktion würde man sagen, Leo Brawand war ein ausgekochtes Schlitzohr. Jemand, der forsch und furchtlos seine Runden im Haifischbecken von Journalismus, Politik und Wirtschaft zog. Etwas respektvoller darf man festhalten, er war ein ganz großer Journalist. Im Juni 2009 ist er, 84-jährig in Hamburg, verstorben. Mit ihm wurde ein Vorbild in den Journalisten-Himmel abberufen.

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  1. Mahron

    Ich habe Leo Brawand noch gut in Erinnerung bei Werner Hörers Frühschoppen. Er war eine beeindruckende Persönlichkeit. Danke für das Portrait.

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