Tipps und Infos rund ums Schreiben und Verlegen

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Was zeichnet einen guten Lektor aus?

Die launige Meinungs-Kolumne.
Gerne zugespitzt. Nicht die Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON Verlag.
Foto: Daniel Biskup.

Ein Lektor ist eine Art Geburtshelfer. Er hilft dem Baby – hier ein Baby namens Buch – auf die Welt. Er holt das Beste aus einem Projekt. Nicht nur in Bezug auf den Text, sondern auch bei Aufbau, Überschriften und Klappentexte. Darüber hinaus ist er oder sie Berater bei Titelfindung und Cover.

Was also muss ein guter Lektor können? Er muss zunächst sprachlich regelfest sein. Orthografie, Grammatik, Stilkunde, Tempi, Satzbau – das darf alles kein Problem darstellen. Er muss dazu ein gutes Sprachgefühl mitbringen. Sich in der Welt der Literatur auskennen, kein Fehler. Das alles ist Grundvoraussetzung. Die Pflicht.

Jetzt kommt die Kür: Ein guter Lektor muss ein Gefühl für die Zielgruppe entwickeln. Auf den Einzelfall herunter gebrochen, muss ein Lektor sich in den Buchautor und das Thema einfühlen können. Die Chemie zwischen Autor und Lektor muss deshalb stimmen. Es muss sich ein Vertrauensverhältnis entwickeln, denn viele Autoren packen ihre Seele aus. Übrigens, für unsympathische Menschen kann ich nicht lektorieren, auch für Menschen nicht, deren Attitude mir contre coeur geht. 

Wenn’s hart auf hart kommt, muss der Lektor selbst ein Buch schreiben können. Ist mir zwei, drei mal passiert. Der Autor liefert kurz vor Drucktermin ein Manuskript ab, das vorne und hinten nicht stimmt. Komplett unbrauchbar. Weil der Autor mit den Nerven am Ende ist, muss der Lektor ran. Ich habe dann das Manuskript übers Wochenende mitgenommen und neu geschrieben. Am Montag lag es vor, Autor und Verlag sind erleichtert.

Allgemeine Tugenden wie Präzision, Hartnäckigkeit und Geduld – alles nicht verkehrt. Dazu Zuverlässigkeit, Freundlichkeit und Empathie. Das sind alles eher prinzipielle Eigenschaften fürs Berufsleben. Bei einem Lektor oder einer Lektorin muss noch etwas dazu kommen.

Wichtig ist mir folgende Eigenschaft: Ein Lektor sollte mehr Fragen stellen als Antworten geben. Eine Beurteilung sollte immer begründet und rein auf Verbesserung des Textes konzentriert sein. Niemals an der Person festmachen. Denn gute Kritik ist Liebe! Fehler sollten nie als etwas Negatives auffasst werden, sondern immer als wertvoller Schritt im Verbesserungsprozess.

Sehr wichtig: Man muss mit Menschen umgehen können. Ein Lektor betreut nicht nur ein Manuskript, sondern auch den dazu gehörigen Autor. Kommunikationsfreunde kann nicht schaden. Ich hatte als Lektor mit Autoren zu tun, die Millionen Bücher verkauft haben, sogar ein namhafter Nobelpreisträger war darunter. Die Zusammenarbeit ist meist spannend und bereichernd, bisweilen auch schwierig und herausfordernd. Übrigens habe ich die Erfahrung gemacht, je arrivierter der Autor, desto einfacher das Zusammenspiel.

Die Arbeit eines guten Lektors sollte nicht mit der Abgabe an den Hersteller oder Drucker enden. Ein guter Lektor ist auch nach Beendigung des Projektes für seinen Autor da. Er informiert über Verkaufszahlen, bereitet bei Erfolg Nachauflagen vor, er tröstet bei schlechtem Verkauf und animiert für neue Projekte bei gutem Verkauf.

Eine meiner Lieblingseigenschaften:

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Jeder Autor sollte ein Alleinstellungsmerkmal besitzen

Die launige Meinungs-Kolumne.
Gerne subjektiv. Nicht die Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON Verlag.
Foto: Daniel Biskup.

Jeder gute Autor sollte eine Besonderheit besitzen, die ihn auszeichnet und abhebt im Wettbewerb. Wenn ein Buch kein solches Alleinstellungsmerkmal hat, kann es nur schwer aus dem Konkurrenzfeld herausstechen. Kunden können nicht gut erkennen, warum sie dieses Buch und nicht jenes daneben kaufen sollten. 

Gerade im überbesetzten Buchmarkt mit jährlich 80.000 Neuerscheinungen gilt: Je stärker ein Markt umkämpft wird, desto klarer muss das Alleinstellungsmerkmal sichtbar sein. Dabei ist der Terminus Alleinstellungsmerkmal ein ziemlich schillernder Begriff aus dem Marketing und der Verkaufspsychologie. 

Viele verstehen ihn qualitativ, als etwas ganz und gar Außergewöhnliches. Der Größte, der Schönste, der Einzige. Eine solch absolute Sichtweise führt jedoch kräftig am Thema vorbei. Alleinstellung bedeutet beileibe nicht etwas Einmaliges oder etwas Bombastisches. Solches ist unter Hunderttausenden Anbietern für den Einzelne unmöglich zu stemmen und macht in der Autorenwelt auch keinen Sinn.

Oft reicht es, wahrhaftig zu sein. Lassen Sie mich dies mit einem meiner Lieblingswitze illustrieren. Drei Friseuren haben ihre Läden in Manhattan in einer Strasse direkt nebeneinander. Tür an Tür. Der beste Friseur in Manhattan, das hat der erste aufs Firmenschild geschrieben. Der beste Friseur in ganz New York, so hat sein Nachbar, der zweite Friseur, im Schaufenster gekontert. Und welches Werbeschild hängt der dritte Friseur auf? Der schreibt schlicht und einfach: Der beste Friseur in dieser Strasse

Nicht nur Friseure, sondern auch Buchautoren überzeugen mit ihrer Alleinstellung nur, wenn sie in ihrer Kommunikation authentisch bleiben. Am besten fängt man damit an, herauszuarbeiten, was einen als Autor oder Autorin so besonders macht. Was unterscheidet mich als Autor von den vielen anderen Buchautoren? Worin begründet sich meine Unverwechselbarkeit?

Bevor die erste Zeile geschrieben ist, sollte man sich zuerst Gedanken machen über die eigenen Stärken. Wer bin ich als Autor und was kann ich besonders gut? Irgendwann wird es dann auf die zweite wichtige Frage zulaufen, die es bestmöglich zu beantworten gilt: Für wen schreibe ich? Wer sind meine Käufer und Leser? Denn meine Zielgruppe beeinflusst mit, was und wie ich schreibe.

Wenn ich mir über die eigene Stärke und meine Zielgruppe im Klaren bin, sollte als nächster Punkt die wohl wichtigste Frage geklärt werden: Welchen Nutzen biete ich als Buchautor meinen Lesern? Als Autor muss ich dem Käufer einen konkreten Nutzen bieten. Ein Nutzen, der als Wert in der betreffenden Leserschaft anerkannt sein muss. Dies kann eine Problemlösung in Form eines Ratgebers sein oder auch die Kurzweil eines Thrillers.

Aus den drei Bausteinen eigene Stärke, avisierte Zielgruppe und wirklicher Nutzen sollte man eigentlich seinem individuellen Alleinstellungsmerkmal näher kommen. Am Ende all dieser Überlegungen muss jeder Autor dann ehrlich eine Frage beantworten: Welchen Mehrwert bietet meine Arbeit? Nur wenn man diese Frage gescheit beantworten kann, macht das Schreiben für Publikum Sinn.  

Besonders fürs Marketing ist das Herausarbeiten der Alleinstellung wichtig. Dabei ist

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Darauf achten Verlagslektoren am meisten bei eingereichten Manuskripten

Autoren-Brief
Die launige Meinungs-Kolumne.
Gerne zugespitzt. Nicht die Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON Verlag.
Foto: Daniel Biskup.

Gibt es einen Tatbestand, der bei der Verlagssuche gleich zu einem Ausschluss führt? Auf was achten Lektoren oder Literaturagenten am meisten bei unverlangt zugesandten Manuskripten? Worauf muss ich als Autor besonders achten, wenn ich von einem Verlag oder von einer Literaturagentur überhaupt zur Kenntnis genommen werden will.

Ich werde hier eine Antwort versuchen. Zunächst, den Lektor oder den Literaturagenten gibt es nicht. So verschieden die Menschen, so unterschiedlich auch ihre Herangehensweise. Der eine Lektor legt besonderen Wert auf jenes, der andere Lektor auf dieses.

Insofern können wir hier nicht die Elle anlegen wie der Maßschneider bei seiner Arbeit. Ich kann jedoch davon berichtet, wie mein Team und ich es gehalten haben. Lange Zeit bin ich Cheflektor in einem großen Sachbuch-Verlag mit Millionen-Umsätzen gewesen, anschließend Geschäftsführer. Bei meiner Arbeit kam immer wieder dieser eine Aspekt ans Licht, auf dessen Erfüllung ich stets bestanden habe. Ohne das Einlösen dieses Kriteriums ist selbst das beste Manuskript im Papierkorb gelandet.

Sicherlich, die anderen Parameter sind auch wichtig gewesen. Thema und Verlag müssen harmonieren, geschenkt, die allererste Selbstverständlichkeit. Dazu ein schlüssiger Aufbau des Manuskriptes, ein packender Stil, die korrekte Orthografie und eine fehlerfreie Grammatik. Alles von Bedeutung, keine Frage. Aber das meiste eben auch Rahmenbedingungen, die sich zur Not in einem guten Lektorat ausbessern lassen. 

Doch mein Killer-Kriterium lässt sich nicht ausbessern. Dieser Schwachpunkt ist vorhanden oder eben nicht. Ich will Sie nicht auf die Folter spannen. Mein wichtigstes Merkmal bezieht sich auf das Verhältnis Text zu Autor. Es kreist um die Frage: Ist der Autor glaubwürdig als Verfasser dieses Manuskriptes? Ist er sachkundig und beschlagen, dieses Buch zu schreiben?

Die Lektorate nennen diesen Aspekt heute Autorenkompetenz. Was befähigt den Autor oder die Autorin, gerade dieses Buch zu schreiben? Der Autor muss das Thema glaubwürdig vertreten. Denn sonst wird es spätestens bei der Vermarktung peinlich. Über einen Rechtschreibfehler kann man großzügig hinweg schauen, nicht aber über mangelnde Kompetenz.

Autorenkompetenz bedeutet nicht, dass man

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Wie schreibe ich einen guten Klappentext für mein Buch?

Wolfgang Stock
Autoren-Brief
Die launige Meinungs-Kolumne.
Gerne zugespitzt. Nicht die Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON Verlag.
Foto: Daniel Biskup.

Der Autor setzt unter sein Manuskript das magische Wort Ende. Alles wunderbar. Es fehlt nur noch der Klappentext. Hier tun sich viele Autoren schwer. Denn der Verfasser eines guten Klappentextes muss nun den Marketing-Hut aufsetzen, dies ist für viele Autoren und Autorinnen eine ungewohnte Rolle. Dazu ein paar Anmerkungen und Anregungen.

Bestmögliche Klappentexte sind für den Erfolg wichtig, nicht selten entscheiden sie über Kauf oder Nichtkauf. Mit ihrer Streugenauigkeit sind sie ein unmittelbarer und auch verlässlicher Verkaufstreiber für ein Buch. Ein Klappentext folgt festen Regeln, die sich über die Jahre bewährt haben.

Wenn wir von einem Hardcover mit Schutzumschlag reden, so benötigen wir eigentlich drei Klappentexte. U2, U3 und U4. Damit sind, so Verlagssprache, die jeweiligen Umschlagseiten gemeint. Streng genommen ist die U4 – die Rückseite des Buches – ja keine Klappe, sie spielt jedoch im Konzert der drei Texte einen starkstimmigen Part. Schauen wir uns deshalb das ausführliche Konzept inklusive Schutzumschlag an. Zäumen wir das Pferd von hinten auf.

Die Aufgabe der U4:
Klare Aufgabe der U4 eines Buches ist das Verkaufen. Wenn ein potentieller Kunde das Buch aus dem Regal des Buchhändlers zieht, geht sein Blick zuerst auf das Cover mit Grafik, Autor und Titel. Bei Gefallen dreht er das Buch auf die Rückseite. Auf dieser U4 muss der Text jetzt messerscharf sitzen und überzeugen, vom ersten Satz an. 

Die Rückseite eines Buches ist begrifflich nicht zu verwechseln mit dem Buchrücken. Als Buchrücken bezeichnet man den schmalen Streifen, der beim Buch im Regal sichtbar bleibt. Um solchen Verwechslungen vorzubeugen, wird in den Verlagen üblicherweise von der U4 gesprochen. Da das Verkaufen im Vordergrund steht, wird in manchen Verlagshäusern die U4 gleich von der Marketing-Abteilung entworfen. Ansonsten von Lektor und Autor in Absprache. Der Self Publisher macht es, wie so vieles, in Eigenregie. 

Auf dem Backcover, auch so wird die Rückseite genannt, sollte Thema und Grundidee in vier, fünf eingängigen Sätzen angerissen werden. Nicht mehr als zehn Zeilen! Ziel ist nicht, den Inhalt zusammenzufassen, sondern den Leser auf die Schnelle thematisch anzufixen und Neugierde zu erzeugen. Das Ganze in mittelgroßer Typografie und am besten im Blocksatz. Zum Schluß – optisch abgesetzt – ein USP-affiner Satz à la Der neue Rheinland-Thriller von Marion Mustermann.

Viel halte ich davon, mit Testimonials zu arbeiten. Dies können Presseclips, Rezensionen oder (vorab) lobende Worte von namhaften Multiplikatoren sein. Bei meinen Anfragen zu Testimonials von prominenten Autoren bin ich meist auf offene Türen gestoßen. Man sollte diese Chance nutzen. Denn solche Testimonials kombinieren im Idealfall die Inhaltsbeschreibung und den Empfehlungscharakter. Typografisch sollte hierbei eine größere Schrift gewählt werden, auch eine unterschiedliche Schriftart.

Ein guter Text auf der Rückseite soll den potentiellen Käufer packen, der ja manchmal nicht

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Warum ändert ein Verlag im letzten Moment – gegen den Willen des Autors – einen Buchtitel?

Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Der gewohnte Ablauf ist weithin bekannt. Autor und Lektor sind seit langem einig über Inhalt, Überarbeitung, Cover, Klappentexte und U4. Auch über den Buchtitel besteht Einklang. Der Erscheinungstermin rückt näher. Der Autor geht zu Recht davon aus, dass alles geklärt ist. Doch mehr als einmal haben ich erlebt, dass dieser Ablauf jählings unterbrochen wird.

Quasi über Nacht wird der abgesprochene Buchtitel geändert. Kleinlaut meldet der Lektor sich beim Autor: ein neuer Titel für sein Buch, „der Verlag“ möchte das so. Auch wenn der Autor dagegen ist, er kann Kopfstände machen oder den Papst anrufen, der neue Titel steht fest und wird in den nächsten Tagen zur Druckerei geschickt.  

Vor diesem Hintergrund lassen sich die Verlage deshalb die allumfassende Verantwortlichkeit für Cover, Titel und Ausstattung in den Autorenvertrag hineinschreiben. Juristisch ist die Sache also klar. Der Verlag besitzt das letzte Wort. Dem Autor bleibt nichts anderes übrig, als klein beizugeben. Ich habe diese Situation schon mehrere Male erlebt. Nicht nur bei Büchern von Newcomern, gerade auch bei Neuerscheinungen von namhaften Autoren.

Warum jedoch werden Buchtitel auf den letzten Drücker geändert? Weshalb wird die Übereinkunft von Autor und Lektor urplötzlich über den Haufen geworfen? Warum will „der Verlag“ eine solch abrupte Änderung? Die Gründe dafür bleiben meist nebulös. So viel sei verraten, zumeist sind es keine rechtlichen Zweifel wie Titelplagiat, Verwechslungsgefahr oder Ähnliches, dies hat der Hausjurist ja schon lange im Vorfeld abgeklärt.

Vielmehr habe ich die Erfahrung gemacht, dass die meisten Änderungen der Buchtitel auf der sogenannten Vertreter-Konferenz entschieden werden. Diese Vertreter-Konferenz ist für jeden Großverlag ein heiliger Termin. Zweimal im Jahr, zur Vorstellung des Frühjahrs- und Herbstprogramms kommen Lektorate, Verlagsleitung, Marketing, Vertrieb, Presseabteilung und alle Buchhandels-Vertreter zusammen, um an ein, zwei Tagen über das neue Programm und dessen Vermarktung zu sprechen.

In den Groß- und Mittelverlagen haben die Buchhandels-Vertreter eine starke Position. Oft sind es gut provisionierte Handelsvertreter mit viel Erfahrung und Selbstbewusstsein. Die Aufgabe eines Außendienstes besteht darin, die Buchhandlungen ihres Gebietes zu besuchen und Vorbestellungen für die Novitäten des neuen Programms zu akquirieren. Ein großer Verlag beschäftigt etwa 8 bis 10 Vertreter, die regional dann Deutschland, Österreich und die Schweiz bereisen.

Der Außendienst arbeitet am engsten Bottleneck eines Verlages, am Flaschenhals zwischen Produzent und Käufer. Praktiker wissen, dass an einem solchen Engpass über Erfolg oder Misserfolg entschieden wird. Wie viele Bücher vom Verlag in die Buchhandlungen hinein verkauft werden, hängt nicht zuletzt von der Argumentationsstärke und vom Verhandlungsgeschick des Vertreters ab.

Innerhalb der Verlags-Hierarchie, obwohl sie im engen Sinn nicht zum Innenbau gehören, besitzt das Urteil des Außendienstes ein großes Gewicht. Nun kann es auf einer solchen Vertreter-Konferenz passieren, dass sich ein Vertreter mit breiter Brust zu Wort meldet und anmerkt: Das Buchprojekt xy sei großartig. Gutes Thema, prima Autor, toller Text (meist haben die Vertreter die Fahnen im Voraus gelesen). Doch eines, nur eine Sache: Der Buchtitel sei großer Mist.

Und prompt unterstützen andere Vertreter den Kollegen in seiner Titel-Schelte. Wenn es so weit kommt, dann weiß ein erfahrener Lektor, dass der alte Titel nicht mehr zu retten ist. Zumal sich in der Regel Marketing und Vertrieb auf die Seite der Vertreterschaft schlagen. Im Laufe der Ereignisse kommt es zu einer hitzigen Diskussion, es werden

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Die Frage aller Fragen – die Antwort entscheidet über den Erfolg Ihres Buchprojektes

Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Der Autor kam freudestrahlend auf mich zu und wedelte mit seinem neuen Manuskript. Zu dem Thema gibt es noch nichts. Meine Laune sank unter Gefrierpunkt. Zu Recht, dachte ich. Zu Recht gibt es zu diesem Thema nichts. Häufig habe ich diese Sichtweise von Autorenseite gehört, sie führt gehörig in die Irre und bleibt für einen Buchverleger wirklichkeitsfern.

Ein Argument von verlegerischen Amateuren jedenfalls. Wer in der Branche arbeitet, der weiß: Bei 80.000 Neuerscheinungen in Deutschland ist thematisch jeder Winkel ausgeleuchtet und jeder Nerv gekitzelt. Alles und jedes gab es schon. Und auch das Gegenteil davon. Zumal die schöne Literatur ohnehin nur um die drei Themengebiete Leben, Liebe, Tod kreist.

Noch schlimmer wird das Argument, sobald ein Autor es umdreht, um damit eine Abneigung zu begründen. Zu dem Thema gibt es schon so viele Bücher. Deshalb möchte man dies als Autor nicht anpacken. Bei Krimis, der Erfolgsgattung der Branche schlechthin, höre ich diesen Einwand schlauerweise selten. Denn die verlegerische Wahrheit ist: Wenn es bereits viele Bücher zu einem Thema gibt, dann ist dies ein grandioses Zeichen. Ein Fingerzeig des Käufers. Man will so etwas lesen.

Sofern es zu einem Thema viele Bücher gibt, funktioniert das entsprechende Themenfeld nachweislich. Als reiner Trittbrettfahrer sollte man als Autor – einerlei ob Verlagsautor oder Self Publisher – jedoch nicht auf den Zug aufspringen. Vielmehr muss ein Autor versuchen, dem erprobten Erfolgsthema einen eigenen Dreh zu verpassen. Es zum Beispiel geografisch herunterbrechen oder Protagonisten, Epoche und Dramaturgie ein- oder austauschen. Zumindest so gründlich, dass man mit seinem Buchprojekt einer Alleinstellung nahe kommt.

Damit kommen wir zum Casus knacksus: als Buchautor sich über seine Alleinstellung klar werden. Die Arbeit für den Erfolg eines Buchprojektes fängt lange vor dem ersten Satz im Manuskript an. Eigentlich müsste jeder Autor erst einmal in sich gehen, ruhig tage- und wochenlang, meinetwegen mit professioneller Unterstützung, um für sich sein Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten.

Man kreist dann um Fragen wie: Wer bin ich? Wofür stehe ich? Was will ich? Wo liegen meine Kenntnisse, Stärken und Fähigkeiten? Was unterscheidet mich von anderen? Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Das Alleinstellungsmerkmal. Wir nähern uns dem Kern. Im amerikanischen Marketing-Jargon wird dieser Sachverhalt USP genannt, Unique Selling Proposition. Das einzigartige Verkaufsargument.

Der Begriff kommt aus der Verkaufspsychologie und umschreibt das herausragende Qualitätsmerkmal eines Produktes oder einer Dienstleistung in Märkten mit starkem Wettbewerb. Worin liegt der genaue Nutzen für den Kunden? Quadratisch. Praktisch. Gut. So lautet der geniale Werbeslogan der Ritter Sport-Schokolade. Da ist USP-technisch gesehen alles drin. Quadratisch (Alleinstellung), Praktisch (Kundennutzen) und Gut (Qualitätsversprechen). Das Produkt, wir wissen es, löst mit seiner köstlichen Schokolade alle Versprechen ein.

Als Autor sollte man für jedes Buchprojekt einen USP definieren können. Ebenso sollte man, jetzt wird es ambitioniert, ein solches Merkmal der Alleinstellung für sein gesamtes Wirken als Autor festlegen können. Wenn man nun über solche Fragen der Positionierung nachdenkt, dann kommt man irgendwann zur Frage aller Fragen: Was macht mich als Autor einzigartig?

Wer diese Frage nicht überzeugend zu beantworten weiß, der sollte das Schreiben für Publikum lieber ganz sein lassen. Anders herum: Glücklich ist derjenige, der eine überprüfbare Antwort erarbeitet hat, am liebsten in einem nachvollziehbaren Satz oder als flotter Slogan. Dieser Autor kann loslegen mit dem weißen Blatt Papier. Er muss halt nur noch, schwer genug, sein Versprechen von Einzigartigkeit einlösen.

Doch Themenfindung und die Arbeit am Text fallen um ein Vielfaches leichter, wenn das Grundgerüst des eigenen Profils geklärt ist. Leichter jedenfalls, als wenn man aus der Hüfte schießt und sich wild aufs Manuskript stürzt. Denn an irgendeiner Stelle des Schreibprozesses wird man unvermeidlich von der eigenen Unsicherheit eingeholt und von den Zweifeln an der Textqualität übermannt.

Zu oft hat ein Autor keine Klarheit über sein eigentliches Profil und hängt irgendwelchen Schnapsideen vom Bestseller nach. Der Misserfolg wird so vorprogrammiert. Vielmehr läuft es im Idealfall so: Das Thema muss

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Die Bestseller-Formel – Wie finde ich einen guten Titel für mein Buch?

Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Es gibt Buchtitel, die kann man einfach nicht besser machen. 100 Punkte von 100 Punkten. Krieg und Frieden ist so ein Klassiker. Oder Die Katze auf dem heißen Blechdach. Ein Titel muss neugierig machen, er muss uns aus dem Verkaufsregal anspringen. Ein guter Titel sollte Erwartungen aufbauen und eine innere Unruhe auslösen. Der ideale Titel muss den Leser oder die Leserin – im guten Sinne – anfixen.

Nun spielen wir ja nicht in der Liga von Leo Tolstoi oder Tennessee Williams, macht aber nichts. Denn vieles beim Schreiben ist ehrliches Handwerk, wie so oft in den kreativen Berufen. Absolute Gewissheiten gibt es nicht, dazu ist die Ausgangslage schon zu verschieden. In diesem Sinne nachstehend keinen goldenen Schlüssel, aber doch ein paar Gedankenanstösse zum Thema Titelfindung und den einen oder anderen technischen Kniff. 

Oberste und heilige Regel: Ein Titel darf nicht langweilen. Spannung muss ein Titel vor allem erzeugen. Spannung nicht so sehr im Sinne von Nervenkitzel (außer bei Krimis), sondern Spannung im Sinne von Anziehung und Zugkraft. Schwingungen und Funkenflug zwischen diesem viereckigen Stück Papier und dem Hirn des Menschen müssen ausgelöst werden. So wie hoffentlich auch bei der Überschrift zu dieser Kolumne.

Gut kriegt man meist eine Spannung, wenn man mit Haupt- und Untertitel arbeitet. Wie macht man das? Zum Beispiel so:

  • Obertitel emotional, Untertitel sachlich. Das tiefschwarze Herz: Ein Fall für Cormoran Strike.
  • Obertitel Fragen aufwerfen, Untertitel Antwort andeuten. 12 Monate durch Südostasien – Paradies mit Schönheitsfehlern.
  • Obertitel geheimnisvoll, Untertitel aufklärend. Beispiel: Der römische Schneeball – Wahre und erfundene Geschichten.

Das tiefschwarze Herz ist ein wunderbares Beispiel. Es gilt, gerade bei Adjektiven, so präzise wie möglich zu sein. Sich sprachlich tief hineinbohren. Tiefschwarz ist tausendmal besser als nur schwarz. Dadurch wird die Emotionalität nochmals verstärkt. Gerade bei Adjektiven im Obertitel sollte man immer daran arbeiten, noch tiefer zu drehen.

Wie auch immer, die Spannung zwischen Ober- und Untertitel muss den potentiellen Käufer in der Buchhandlung veranlassen, nach dem Buch zu greifen und darin zu blättern. Im Internet muss die erzeugte Spannung das Begehren auslösen, sich mehr Informationen zu Autor und Buchthema einzuholen.

Falsch bei der Spannungserzeugung wäre die umgekehrte Reihenfolge. Obertitel sachlich, Untertitel emotional. Auch falsch, wenn Obertitel und Untertitel zu sachlich sind. Dann kann’s langweilig werden. Oder wenn beide Titel emotional angelegt sind, wird es meist im Overload enden. Die Spannung ist in allen Fällen futsch.

In seltenen Glücksfällen gelingt es, die Spannung auch ohne Haupt- und Untertitel hinzukriegen. Mit nur einer Titelzeile die Spannung aufzubauen, das ist ganz großes Kino. Die Liebe in den Zeiten der Cholera. Dieser Titel von Gabriel García Márquez ist perfekt, weil die Spannung durch den Gegensatz von Liebe und Cholera erzeugt wird.

Häufig habe ich erlebt, dass eine Kapitelüberschrift besser als der eigentlich vorgesehene Buchtitel gewesen ist. Wunderbar, dann nehme ich eben die Kapitelüberschrift als den neuen Titel. Manchmal werden Autoren, die Tag und Nacht an einem Manuskript arbeiten, mit der Zeit betriebsblind, ein guter Lektor kann auf solche Feinheiten aufmerksam machen.

Zahlen in Titeln sind immer gut. Bei Ratgebern sowieso. Die 1 %-Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung. Das ist perfekt. Idee, USP, Spannung – alles erste Sahne. Damit kommen wir zum USP. Ein Titel kann den USP zwar nicht voll ausbreiten, dem Käufer aber zumindest ein Signal geben. Diese

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Ein Treffen mit Tom Wolfe

Tom Wolfe: Die neue Welt des Robert Noyce.

Von allen Autoren, die ich betreuen durfte, ist er der beste Stilist gewesen. Als Schreiber kam keiner an ihn heran. Der Abstand zum nächsten war riesengroß. Tom Wolfe galt zu recht als einer der ganz Großen der anspruchsvollen Unterhaltungsliteratur.

Der schlanke und stets dandyhaft gekleidete Autor, war der bekannteste Protagonist jener neuen Schreibart, die man New Journalism nennt. Dieser neue Journalismus ist eine Revolution unter damaligen Schreibern gewesen, eine Abrechnung mit der behäbig gewordenen Vätergeneration.

Die Fakten werden in eine packende fiktionale Erzählung eingebaut. Fortan gilt es Szenen zu beschreiben, nicht mehr so sehr Handlungen. Tom Wolfe ist gemeinsam mit Hunter S. Thompson, Michael Herr und Gay Talese einer der Ahnväter des New Journalism. Und der erfolgreichste von allen war Tom obendrein.

Im  Jahr 1990 hatte ich die Ehre, ein Buch von Tom Wolfe zu verlegen: Die neue Welt des Robert Noyce – Eine Pioniergeschichte aus dem Silicon Valley. Ursprunglich war dies 1983 ein langer Aufsatz in Esquire unter dem Titel The Tinkerings of Robert Noyce, und mir kam die Idee, für Deutschland daraus ein kleines Buch zu machen.

Ich hatte Tom Wolfe auf der Buchmesse getroffen und der bestens verdrahtete Literaturagent Michael Meller aus München besorgte nun das Copyright beim Autor auf Long Island. Stolz hielt ich nach einigen Wochen den Lizenzvertrag mit der geschwungenen Unterschrift von Tom Wolfe in Händen.

Bei der Story geht es um die Gründerjahre im Silicon Valley, als Intel-Ingenieur Robert Noyce den integrierten Schaltkreis erfand. Im Halbleitergeschäft hatte die Forschung den Stellenwert, den das Werfen beim Baseball hat; sie macht 60 Prozent des Spiels aus. So großartig beginnt dieser Tom Wolfe seine Geschichte, und er hält wunderbar den Spannungsbogen bis zur letzten Seite. Genial wie Wolfe in dieser kleinen Story die knisternde Atmosphäre der Anfangsjahre in der kalifornischen Computerindustrie rund um San Francisco einfängt.

Er beschreibt eine kleine, heute weitgehend vergessene Episode mit grosser Wirkung, ein Anfang, der die ganze Welt revolutionieren sollte. Wie detailgenau, kenntnisreich und anschaulich Wolfe die eigentlich trockene Materie angeht, das macht ihm so schnell keiner nach. Wer wissen möchte, welche Aufbruchstimmung und welche Begeisterungsfähigkeit die Anfänge des Silicon Valley bestimmten, der sollte sich in dieses Buch fallen lassen.

Tom Wolfe besaß einen eleganten, sehr präzisen Stil, seine Stücke sind immer genau recherchiert gewesen und er verfügte über einen sehr gleichmäßigen Satzrhythmus. Während ein Hunter S. Thompson geschrieben hat wie

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Die kürzeste Kurzgeschichte – kürzer geht es nicht

Sechs Wörter. Eine Kurzgeschichte. Ernest Hemingway hat es drauf.

Drei Freunde, unter ihnen der junge Newcomer Ernest Hemingway, sitzen beim Whiskey zusammen und frönen der Aufschneiderei unter ehrgeizigen Autoren. Es passiert in den 1920er Jahren in Key West.

Bei einem guten Scotch fädeln die drei Freunde eine literarische Wette ein, als Einsatz werden 10 Dollar festgelegt.

Der aufstrebende Journalist und Schriftsteller Ernest Hemingway aus Oak Park bei Chicago wettet mit den Freunden, dass er eine Kurzgeschichte aus nur sechs Wörtern schreiben kann. Sechs Wörter? Ungläubiges Staunen!

Die Wette gilt. Hemingway nimmt einen Zettel und schreibt seine sechs Wörter auf das Papier. Die Freunde recken neugierig die Hälse. Und wie lautet seine kurze Kurzgeschichte?

Auf Hemingways Zettel steht:

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Die große Kunst des ‚ersten Satzes‘

Gabriel García Márquez: Chronik eines angekündigten Todes. 1981.

Der erste Satz einer Erzählung ist der schwierigste. Und der letzte Satz der zweitschwierigste. Der ganze Text dazwischen ist eigentlich einfach. Als Autor darf man die Wirkung des ersten Satzes nicht unterschätzen. Wenn der erste Satz nichts taugt, ist das ganze Buch Mist.

Es gibt Schriftsteller, die wahre Meister des ersten Satzes sind. An dem Tag, an dem sie Santiago Nasar töten wollten, stand er um fünf Uhr dreißig morgens auf, um den Dampfer zu erwarten, mit dem der Bischof kam. Der Kolumbianer Gabriel Garcia Márquez. Chronik eines angekündigten Todes. Besser geht es nicht.

Der erste Satz ist mehr als ein erster Satz. Er ist die Geburtsstunde einer Erzählung. Es ist die Visitenkarte eines Romans. So wie eine Person, die zur Tür hereinkommt und Guten Tag wünscht. So wie sie dieses Guten Tag sagt, so wird die Fortsetzung der Beziehung aussehen. Der erste Eindruck entscheidet. Man hat keine zweite Chance auf einen guten ersten Eindruck.

Der erste Satz ist wie der Sprung ins kalte Wasser. Er muss den Leser überraschen, emotional packen und sich den Weg in die Seele bahnen. Ein Eröffnungssatz muss bereits alles offenlegen, darf aber nichts verraten. Er soll ins Thema einführen, aber zugleich neugierig machen. Der erste Satz erzeugt die Stimmung, die dann den Roman durchzieht.

Schauen wir uns mal einen zeitgenössischen Autor an. Juan Moreno. Sein Buch trägt den Titel Glück ist kein Ort. Und sein erster Satz ist folgender: Wie sich zeigen wird, ist Carlos, der keinen Nachnamen hat und vermutlich auch nicht Carlos heißt, genau der richtige Mann, wenn man etwas Unmögliches auf Kuba braucht. Große Klasse, da brauche ich nicht weiterzulesen, der Autor muss mir keine Journalistenpreise vorzeigen. Bei einem solchen Eröffnungssatz weiß ich, dieser Mann kann grandios schreiben.

Der Eröffnungssatz ist der Kern, von dem sich alles abspaltet. Ton, Inhalt, Figuren, Melodie des Buches. Urs Widmer nennt den ersten Satz das Samenkorn der ganzen Geschichte. Länge, Tempo und Stimmung eines Buches muss er enthalten und vorbestimmen. Der erste Satz entscheidet alles. Man kann nach einem schlechten ersten Satz kein gutes Buch schreiben. Die Statik des Fundaments wäre brüchig.

Mit einem Erdbeben anfangen und dann langsam steigern!, gab Filmproduzent Samuel Goldwyn seine Drehbuchautoren vor. Der erste Satz muss wie ein Paukenschlag sein. Wer mit einem lauen Lüftlein anfängt, hat

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