
Gerne zugespitzt. Nicht die Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON Verlag.
Foto: Daniel Biskup.
Auf der Frankfurter Buchmesse bin ich im zwanglosen Gespräch über eine bemerkenswerte Aussage gestolpert. Mit Marketing will ich nichts zu tun haben, meint da ein aufgebrachter Buchautor. Ich bin froh, wenn der Verlag das übernimmt. Oha! Da musste ich dann doch zweimal tief durchatmen.
Eine solche Verweigerungshaltung, sie ist nicht untypisch in kreativen Branchen, trifft man in der Autorenschaft gerade von belletristischen Werken des Öfteren an. Marketing, Werbung oder Kommerz, das ist irgendetwas zwischen bäh und igitt. Ein krummes Verschachern, unter Zuhilfenahme von Täuschung und Trickserei.
Als Schöngeist möchte man sich mit solch windigen Methoden jedenfalls nicht die Hände beschmutzen. Menschlich vielleicht noch nachvollziehbar, fachlich bewegt sich ein Autor oder eine Autorin mit solchen Attitüden jedoch mit vollem Karacho in eine Sackgasse.
Als größten Irrtum erkenne ich eine vollkommen falsche Einschätzung zur Stärke und zu den Möglichkeiten eines Verlagshauses. Die nackte Wahrheit ist: Ein Verlag wird „das Marketing“ für einen unbekannten Autor nicht abdecken. Kleinen Verlagen fehlt dazu das Geld und selbst die großen Verlagsgruppen klotzen nur bei den Spitzentiteln. Die knappen Ressourcen in unserer kleinteiligen Branche müssen überall klug verteilt werden. Marketing mit der Gießkanne funktioniert erwiesenermaßen nicht, man muss schon mit dem Gartenschlauch kräftig auf eine Stelle draufhalten.
Ein gesunder Verlag kann – grob gerechnet – etwa 10 Prozent seines Umsatzes für Marketing ausgeben. Das ist schon überaus großzügig gemessen. Wenn ein Taschenbuch 5.000 Exemplare verkauft, zu 12,00 Euro, dann hat der Verlag kalkulatorisch einen Marketingetat von 6.000 Euro für diesen Buchtitel zur Verfügung. Hört sich nach viel an. Sind aber Peanuts.
Träume vieler Autoren von großen Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften sind da schnell ausgeträumt. Dazu eine Frage: Was schätzen Sie, wie viel kostet eine Anzeigenseite in DER SPIEGEL? Ich verrate es Ihnen: 99.500 Euro. Für eine einmalige Schaltung. Ich sage dies, damit Sie nachvollziehen können, was man mit 6.000 Euro im Marketing so anstellen kann. Nämlich wenig bis nichts. Zumal auch kleinere Titel davon ihren Anteil an den Marketing-Overheads übernehmen müssen.
Aus diesem Grund konzentrieren Verlage ihre knappen Etats lieber auf sogenannte A-Titel. Als A-Titel bezeichnet man die Neuerscheinungen von Berühmtheiten mit Bestseller-Flair. Schauspieler mit ihren Biografien, Prinzessinnen mit dem Blick durchs Schlüsselloch. B-Titel sind solche von bereits eingeführten Autoren mit Stammpublikum, die auch so ihre Käufer finden. Und die C-Titel? Das sind die Novizen. Die fallen in der Hackordnung meist hinten runter.
Die Realität in den Verlagshäusern sieht so aus, dass