Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Es gibt Buchtitel, die kann man einfach nicht besser machen. 100 Punkte von 100 Punkten. Krieg und Frieden ist so ein Klassiker. Oder Die Katze auf dem heißen Blechdach. Ein Titel muss neugierig machen, er muss uns aus dem Verkaufsregal anspringen. Ein guter Titel sollte Erwartungen aufbauen und eine innere Unruhe auslösen. Der ideale Titel muss den Leser oder die Leserin – im guten Sinne – anfixen.

Nun spielen wir ja nicht in der Liga von Leo Tolstoi oder Tennessee Williams, macht aber nichts. Denn vieles beim Schreiben ist ehrliches Handwerk, wie so oft in den kreativen Berufen. Absolute Gewissheiten gibt es nicht, dazu ist die Ausgangslage schon zu verschieden. In diesem Sinne nachstehend keinen goldenen Schlüssel, aber doch ein paar Gedankenanstösse zum Thema Titelfindung und den einen oder anderen technischen Kniff. 

Oberste und heilige Regel: Ein Titel darf nicht langweilen. Spannung muss ein Titel vor allem erzeugen. Spannung nicht so sehr im Sinne von Nervenkitzel (außer bei Krimis), sondern Spannung im Sinne von Anziehung und Zugkraft. Schwingungen und Funkenflug zwischen diesem viereckigen Stück Papier und dem Hirn des Menschen müssen ausgelöst werden. So wie hoffentlich auch bei der Überschrift zu dieser Kolumne.

Gut kriegt man meist eine Spannung, wenn man mit Haupt- und Untertitel arbeitet. Wie macht man das? Zum Beispiel so:

  • Obertitel emotional, Untertitel sachlich. Das tiefschwarze Herz: Ein Fall für Cormoran Strike.
  • Obertitel Fragen aufwerfen, Untertitel Antwort andeuten. 12 Monate durch Südostasien – Paradies mit Schönheitsfehlern.
  • Obertitel geheimnisvoll, Untertitel aufklärend. Beispiel: Der römische Schneeball – Wahre und erfundene Geschichten.

Das tiefschwarze Herz ist ein wunderbares Beispiel. Es gilt, gerade bei Adjektiven, so präzise wie möglich zu sein. Sich sprachlich tief hineinbohren. Tiefschwarz ist tausendmal besser als nur schwarz. Dadurch wird die Emotionalität nochmals verstärkt. Gerade bei Adjektiven im Obertitel sollte man immer daran arbeiten, noch tiefer zu drehen.

Wie auch immer, die Spannung zwischen Ober- und Untertitel muss den potentiellen Käufer in der Buchhandlung veranlassen, nach dem Buch zu greifen und darin zu blättern. Im Internet muss die erzeugte Spannung das Begehren auslösen, sich mehr Informationen zu Autor und Buchthema einzuholen.

Falsch bei der Spannungserzeugung wäre die umgekehrte Reihenfolge. Obertitel sachlich, Untertitel emotional. Auch falsch, wenn Obertitel und Untertitel zu sachlich sind. Dann kann’s langweilig werden. Oder wenn beide Titel emotional angelegt sind, wird es meist im Overload enden. Die Spannung ist in allen Fällen futsch.

In seltenen Glücksfällen gelingt es, die Spannung auch ohne Haupt- und Untertitel hinzukriegen. Mit nur einer Titelzeile die Spannung aufzubauen, das ist ganz großes Kino. Die Liebe in den Zeiten der Cholera. Dieser Titel von Gabriel García Márquez ist perfekt, weil die Spannung durch den Gegensatz von Liebe und Cholera erzeugt wird.

Häufig habe ich erlebt, dass eine Kapitelüberschrift besser als der eigentlich vorgesehene Buchtitel gewesen ist. Wunderbar, dann nehme ich eben die Kapitelüberschrift als den neuen Titel. Manchmal werden Autoren, die Tag und Nacht an einem Manuskript arbeiten, mit der Zeit betriebsblind, ein guter Lektor kann auf solche Feinheiten aufmerksam machen.

Zahlen in Titeln sind immer gut. Bei Ratgebern sowieso. Die 1 %-Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung. Das ist perfekt. Idee, USP, Spannung – alles erste Sahne. Damit kommen wir zum USP. Ein Titel kann den USP zwar nicht voll ausbreiten, dem Käufer aber zumindest ein Signal geben. Diese

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