Tipps und Infos rund ums Schreiben und Verlegen

Schlagwort: Books

Book Publishing…

Publishing Books is like betting on horses.

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Wie viel Geld kann ich als Buchautor von einem Verlag verlangen?

Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Reden wir übers liebe Geld. Schließlich muss ich mir ja auch jeden Tag eine warme Suppe leisten können. Und die Miete. Es geht also um das Schreiben als Erwerbsquelle. Es geht hier nicht darum, sein Buch für lau an einen kleinen oder großen Verlag zu geben. Nach dem Motto: Hauptsache veröffentlicht! Oder gar um DKZ-Verlage – sogenannte Druckkostenzuschuss-Verlage. Bei denen muss man sogar Geld mitbringen. Das subsumiere ich unter Hobby oder Unvernunft.

Es geht um Autoren und Autorinnen, die einige Monate harte Arbeit hinter sich haben und mit ihrem Buch Geld verdienen wollen und müssen. Dies muss ein Verlag, nebenbei bemerkt, ebenso. Das Thema, der Markt, die Zielgruppe und Vermarktung – das sollte alles stimmig sein. Conditio sine qua non. Grundvoraussetzung. Aber wie viel Geld kann ich verlangen, wenn all diese Anforderungen erfüllt sind?

Die Verlage arbeiten in der Regel mit Prozentsätzen. 10 Prozent vom Netto-Ladenpreis beispielsweise. Netto-Ladenpreis meint den Ladenpreis abzüglich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Oft wird gestaffelt. Wenn man mehr verkauft, steigt der Prozentsatz leicht. Bei Taschenbücher gibt es allgemein etwas weniger an Tantieme. Manchmal rechnen die Verlage auch mit dem Netto-Abgabepreis (der Preis, der dem Buchhändler bzw. den Zwischenstufen berechnet wird). Da hier grob 50 Prozent Erlösschmälerung zusammenkommen, kann der Verlag dann 20 Prozent für den Autor ausschütten.

Beispiel: Nehmen wir 10 Euro Ladenpreis (= 9,35 € Netto-Ladenpreis oder 4,67 € Netto-Abgabepreis). Ob man 10 Prozent von 9,35 € oder 20 Prozent auf 4,67 € erhält, ist gleich). Bleiben wir in der Betrachtung bei den 10 Prozent auf Netto-Ladenpreis, es scheint mir das übliche zu sein und ist auch transparent. Abgerechnet wird meist einmal pro Jahr, im Frühjahr, dann sind die Remissionen des Vorjahres durch, und so gegen Februar, März erhält der Autor dann seine Jahresabrechnung.

Einnahmequelle ist nicht nur die Tantieme für das Buch, Taschenbuch oder Hörbuch. Sondern auch – falls vorhanden – Tantiemen auf Auslandslizenzen, auf Verfilmung, auf Vorabdruck in Zeitschriften oder ähnliches. Da gelten andere Sätze, diese sogenannten Nebenrechte werden in der Regel 50/50 oder 60/40 geteilt. Wenn also der Tatort anklopft und einen bereits veröffentlichten Krimi verfilmen will und der Filmproduzent 50.000 € Honorar hinblättert, dann erhält der Verlag 25.000 € und der Autor ebenso 25.000 €.

Jetzt kommt ein spannendes Thema, bei dem ein Autor viel falsch machen kann: Vorschuss oder Garantie-Honorar. Ein Garantie-Honorar ist ein mit zukünftigen Tantiemen verrechenbarer, aber nicht zurückzahlbarer Vorschuss. Beispiel: Ich erhalte 20.000 € als Garantie. Erreiche in den nächsten Jahren allerdings nur 14.500 € an Tantiemen. Trotzdem muss ich von den 20.000 € nichts zurückzahlen. Umgekehrt: Wenn mir im nächsten Jahr 24.500 € an Tantieme zustehen, bekomme ich nur 4.500 € ausbezahlt.

In den Großverlagen gibt es eine Person oder eine kleine Abteilung, die nur mit diesem Thema beschäftigt ist. Denn es müssen Hunderte Autoren und Autorinnen abgerechnet werden. Selbst wenn nur ein paar Exemplare verkauft werden. Bei dem Verlag, wo ich gearbeitet habe, hieß diese Truppe Honorar-Abteilung. Wenn ein Autor einen Verlag besucht, dann sollte er auch einmal dort seinen Kopf durch die Tür stecken und freundlich grüßen.

Doch wie viel Garantie bzw. Vorschuss kann ich als Autor denn verlangen? Ganz wichtig: Zunächst sollte man auf einer Garantiezahlung stets bestehen. Wer sein Werk – auch als Neuling – ohne Vorschuss abgibt, verkauft sich und sein Projekt hoffnungslos unter Wert. Dann landet man im Verlag in der untersten Schublade, aus der man schwer wieder rausfindet. Es geht also darum, ein gutes, aber realistisches Garantiehonorar zu verlangen.

Die meisten Verlage rechnen da mit einem Schema: 50 Prozent der Verkaufserwartung des ersten Jahres. Prognostizieren wir 8.000 verkaufte Exemplare im ersten Jahr, solche Berechnungen hat ein jeder Lektor im Hinterkopf bzw. werden im Verlags-Controlling für jedes Buch erstellt. Netto-Ladenpreis 9,35 €, davon 10 Prozent für den Autor, dann stehen einem Autor im ersten Abrechnungsjahr kalkulatorisch 7.480 € zu. Davon kann er die Hälfte als Vorschuss bzw. Garantie verlangen. Mit etwas Verhandlungsgeschick vermag man die Summe vielleicht ein wenig höher zu drücken. Dies auf jeden Fall versuchen, Lektoren haben da schon einen gewissen Spielraum.

Warum sollte ein Autor auf Zahlung einer Garantie bestehen? Geld, und das gilt auch im Verlagswesen, ist

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Wie schreibe ich als Autor ein gutes Buch-Exposé?

Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Ein Buchautor, der einen Verlag sucht, kann so viel falsch machen bei der Erstellung eines Exposé. Exposé bedeutet Übersicht, kurze Zusammenfassung, das Wichtigste auf einen Blick. Es bedeutet nicht: das ellenlange Nacherzählen des Manuskriptes oder die Diskussion, warum genau dieses Buch der neue Mega-Seller wird.

Es hilft ein wenig, sich in den Kopf eines Lektors zu versetzen. Was ist ihm wichtig? Worauf kommt es ihm an? Als ich bei einem großen Sachbuch-Verlag als Lektor gearbeitet habe, erhielten wir etwa 20 Buchvorschläge. Pro Tag. Unaufgeforderte Einsendungen, Vorschläge von Autoren, Lizenzen von Literaturagenten aus dem In- und Ausland. Alles in allem also ca. 7.000 Manuskripte pro Jahr. Von den unverlangten Manuskripten der Neulinge wurden vielleicht 2 oder 3 im Jahr genommen. So viel zu den Chancen.

Viele Großverlage teilen – offen oder mental – ihr Programm in A, B und C-Titel. A-Titel sind potentielle Bestseller. Also Bücher, die beispielsweise ein bekanntes Fernsehgesicht, eine Schauspielerin oder ein Schlagerstar geschrieben haben. B-Bücher sind Titel von bereits publizierten Autoren, die eine übersichtliche, aber doch treue Fan-Gemeinde besitzen. C-Titel füllen das Programm in der Hoffnung, einen Überraschungserfolg zu erzielen.

Ein Neuling sollte wissen, in welche Kategorie er fällt. Wenn jemand kommt und so auftritt, als gehöre sein Manuskript in die Kategorie A, dann fällt dies schon unter Größenwahn. Die Verlagsleute merken, dass ein Amateur am Werk ist. Für Newcomer geht es vielmehr darum, nachvollziehbar zu begründen, warum ein C-Manuskript zu einem unerwarteten Erfolg werden könnte. Diese (stimmige) Begründung gehört unbedingt in das Exposé.

Damit sind wir beim Marketing. Es ist das Herzstück des Exposé. Nicht der Inhalt, die Gliederung oder die Biografie des Autors (das kann ich woanders einsehen). Für das Marketing eines Debütanten möchte ich als Lektor solche Fragen beantwortet bekommen:

  • kennt man die Autorin oder den Autor auch außerhalb des Familien- und Freundeskreises?
  • geht er/sie einer öffentlichwirksamen Tätigkeit nach (Radiomoderator, TV, Firma)?
  • veranstaltet er Seminare oder tritt er als Referent auf Kongressen auf?
  • ist er gewichtig in den sozialen Medien präsent (eigenes Portal, YT-Kanal, Instagram etc.)?

Ein Verlagslektorat steht unter dem Druck, Bestseller zu entdecken. Geschieht selten genug. Mehr wird es zu einem Druck, Flops zu vermeiden und Risiken zu minimieren. Je mehr Indizien dafür vorhanden sind, dass man es mit einem steigerungsfähigen C-Buch zu tun hat, desto eher bekommt man in einem renommierten Verlagshaus eine Chance.

Nachstehend das Muster eines Exposé. Auf einer Seite. Mehr nicht. Ein Lektor ist immer im Stress. Mehr als ein paar Minuten Zeit hat ein Lektor bei der Vielzahl der Manuskripte nicht. Nach ein paar Sekunden weiß ein erfahrener Lektor bereits, wie der Hase läuft.

Als guter Autor sollte ich zudem

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Es rrrummst im New Journalism

Der New Journalism ist so etwas wie die Kulturrevolution des Schreibens. Subjektivität statt Objektivität, Nähe statt Distanz. Rrrumms statt Analyse. Die neue Reportage hat dann nur noch wenig von der vermeintlichen Sachlichkeit des traditionellen Journalismus.

Diese neue Art des Schreibens wird von der Beat Generation, vor allem von Jack Kerouac, beeinflusst. Der Kerl konnte wunderbare Sätze schreiben, die über eine volle Buchseite liefen und trotzdem fraß ihn das Heroin auf. Aber auch Ernest Hemingway oder Jack London mit ihrem erzählerischen Schreibstil prägen den New Journalism. Und wenn richtig gut geschrieben wird, dann ist diese neue Art der Reportage die Veredelung des Journalismus zur Kunstform.

Die Erzählweise des New Journalism benötigt intensive Recherche, manchmal muss man sich wochenlang an die Fersen einer Person hängen. Auch sollte man genau hinschauen und sehr detailverliebt schreiben. Wenn man dies beherzigt, dann muss der Leser aus den Zeilen den Duft riechen, die Farben sehen und den Rabatz hören können. Eine solche Reportage besitzt dann nicht nur Gefühl und Gespür, sondern auch Tempo und Temperament.

Der Autor darf sich selbst einbringen. Hier das rechte Maß zu finden, ist eines der Qualitätsmerkmale des New Journalism. Manche haben das übertrieben, anderen will es gar nur schwer gelingen, die Erzählperspektive abrupt zu ändern.

Der New Journalism erlebt seine Blütezeit in den 60er und 70er Jahren. Hunter S. Thompson schreibt für den Rolling Stone. Gay Talese und Tom Wolfe für Esquire. Truman Capote und Norman Mailer veröffentlichen eher Bücher.

Und da ist einer wie Michael Herr, wieder für Esquire, der Chronist der Dispatches aus dem Krieg in Vietnam. Wir waren alle in die Sitze der Chinook geschnallt, fünfzig waren wir, und irgendwas, irgend jemand schlug von draußen mit einem kolossalen Hammer drauf.

Gerade Sujets wie Kriege, Gewalt und Unterdrückung schrien nach der spürbaren Emotionalität des New Journalism. Ein Krieg musste nach Blut stinken, nach Angstschweiß und Tränen, nach vollgeschissenen Hosen – und nicht nach distinguierter Poetentinte.

Heute, man muss es so sagen, ist der New Journalism passé. Alle Schauplätze wurden besucht, alle dunklen Ecken sind ausgeleuchtet, jeder Nerv wurde gekitzelt. Und die neue Schreibergeneration kommt bei weitem nicht an die Qualität ihrer Vorbilder heran. Der New Journalism ist, seien wir aus Respekt höflich, der New Journalism ist alt geworden.

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Frank Sinatra ist erkältet

Frank Sinatra, ein Glas Bourbon Whisky in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand, stand in einer dunklen Ecke der Bar, an seiner Seite zwei scharfe, aber langsam verblühende Blondinen, die darauf warteten, dass er etwas sagte. Er sagte aber nichts…

Mit diesen stimmungsvollen Sätzen beginnt die Reportage Frank Sinatra Has a Cold. Dieses Werk ist ein literarisches Kleinod, eines der besten Stücke Journalismus überhaupt. Nicht nur der damaligen Zeit, nein, wahrscheinlich ist dies die gelungenste Reportage aller Zeiten.

Diese grandiose Literatur hat der New Yorker Journalist und Schriftsteller Gay Talese zu Papier gebracht: Frank Sinatra ist erkältet, so der deutsche Titel.

Im April 1966 erschien Taleses buchlange Story im Magazin Esquire. Beim 70-jährigen Bestehen der Monatszeitschrift 2003 wurde sie als die beste Esquire-Geschichte aller Zeiten ausgezeichnet. Und dies zu recht!

Dabei war die Perspektive der Reportage eher aus der Not geboren. Bekanntlich war Sinatra der schreibenden Zunft nicht gerade in inniger Liebe zu getan und auch diesem Projekt verweigerte er die Unterstützung. So lehnte der Sänger ein Interview ab und mochte auch von einer Begegnung mit dem seltsamen Schreiberling nichts wissen.

Doch statt nun aufzugeben, hängte sich Gay Talese drei Monate an den Sinatra-Tross. Er interviewte Friseusen, die Maniküre, den Busfahrer, Musiker, Sinatras Butler, ja, eigentlich jeden, der nicht schnell genug weglaufen konnte. So entstand schließlich ein beeindruckendes Portrait, das um das Objekt schleicht, wie der hungrige Wolf um das scheue Reh.

Gay Talese, Jahrgang 1932, ist der herausragende Vertreter eines Schreibstils, der New Journalism genannt wird. Talese baut in seine Reportage gerne lange Dialogszenen ein, der Journalist – und somit auch der Leser – steht quasi neben Geschehen. Oder besser: er steht mitten drin. Große Ohren, offene Augen, gute Nase – alles selbstverständlich für den Journalismus. Und die jungen und wilden Schreiber des New Journalism haben dieses Prinzip auf die Spitze getrieben.

Talese, der auch viel für die New York Times schrieb, veränderte mit seinen Reportagen die Perspektive des Schreibens: Bei einem Boxkampf portraitierte er nicht den Boxer, sondern den Mann, der den Gong schlug. Solches Vorgehen besitzt System: Unbeachtete Dinge rücken in den Vordergrund. Das literarische Muster lässt sich leicht durchschauen: Pars pro toto. Das Einzelteil steht für das Gesamtbild.

Die Sinatra-Reportage ist eigentlich kein typisches Talese-Stück. Die Glamour-Welt war nicht sein Ding. Viel lieber beobachtet er Aussenseiter, Verlierer, Verzweifelte, Allerweltstypen. Das sei allemal besser als sich Stars und Sternchen zu nähern, die eh nur eine Maske und viel Fassade vor sich her tragen.

Heute gehört Frank Sinatra Has a Cold zur Pflichtlektüre an guten Journalisten-Schulen. Diese Reportage markiert eine Sternstunde des New Journalism und des Journalismus überhaupt.

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Ein Treffen mit Peter Drucker

Peter Drucker

mit Peter F. Drucker, in Frankfurt am Main, am 7. Juni 1990.

Der Management-Professor nimmt mich freundschaftlich am Arm. Nennen Sie mich Peter, meint Peter F. Drucker bei unserem ersten persönlichen Zusammentreffen 1990 ganz amerikanisch. Ich zögere. Peter, nein, das will mir nicht über die Lippen, selbst wenn mein Verstand es will. Ich kann diesen Mann, der fast fünf Jahrzehnte älter ist als ich, nicht mit dem Vornamen anreden. Peter, das geht einfach nicht.

Ich bleibe zeitlebens beim Professor Drucker. Dabei sind es nicht die Jahre, die zwischen uns liegen, das ist es nicht. Es ist einfach die Statur, die Lebensleistung und auch die Ehrfurcht. Peter Ferdinand Drucker ist der geistige Vater des modernen Managements, der Lehrmeister eines jeden, der gestern und heute in der Wirtschaft Verantwortung trägt.

Die Generation, die in den 1960er und 1970er Jahren an der Universität war, die hat ihn im Studium gelesen. Und auch jene, die nicht studieren konnten, haben seine Bücher verschlungen, weil er sehr klar und verständlich zu schreiben vermochte. Das Führungscredo des Management by Objectives machte den gebürtigen Wiener Peter Drucker unsterblich. Das war damals, wir sprechen vom Jahre 1954, revolutionär und ist heute Allgemeingut.

Führen durch Zielvereinbarungen. Peter Drucker hat MbO als praxistaugliches Rüstzeug entworfen. Wir müssen uns nur in die 1950er Jahre zurück versetzen. Damals regierte in den Unternehmen Befehl und Gehorsam, Betriebe wurden meist wie Militärkompanien geführt oder bestenfalls von einem Patriarchen dominiert. Management by Objectives gewährte nun erstmalig Entfaltungsmöglichkeit und Freiraum für eigene Ideen.

In seinen gut fünfzig Büchern, fast jedes Jahr hat er eines geschrieben und veröffentlicht, brachte der gebürtige Wiener und Exil-Amerikaner einer sich schnell wandelnden Wirtschaft das moderne Management nahe. Drucker hat all das aufgeschrieben, was er in den USA und in Japan beobachtete, er hat dies mit einem profundem historischen Verständnis und einer umfassenden philosophischen Kenntnis zu einer stimmigen Anleitung für die Praxis entwickelt.

Er war mehr Wirtschafts-Historiker denn Management-Guru. Er hat alle wichtigen Themen früh, manchmal als erster, angesprochen. Dezentrales Management, Qualitätsmanagement, technologische Erneuerung, Prozessmanagement, nachhaltiges und ökologisches Wirtschaften, Personalführung, Non-Profit-Management – alles Peter Drucker.

Dieser Mann war so zeitlos klug, man kann auch sagen, weise. Companies don’t make money, companies make shoes. Besser als Peter Drucker kann man es nicht auf den Punkt bringen, und in diesem Bonmot zeigt sich wie aktuell Drucker heute noch ist. Der Gewinn ist für einen guten Unternehmer nicht das Ziel, sondern eine Folge der Zielerreichung.

Für die Wirtschaft und das Management bleibt Peter Drucker der Größte. Er setzt den Maßstab. Mehr geht nicht. Von allen Autoren, die ich hatte, verehre ich Peter Drucker am meisten. Noch heute kriege ich eine Gänsehaut, wenn ich an unsere Begegnungen denke, vor lauter Hochachtung. Hochachtung vor einem Jahrhundertdenker. Er ist der größte. Einen klügeren habe ich bisher nicht getroffen. Ein großer Denker, der als bescheidener und sympathischer Mensch in Erinnerung bleibt.

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Ein Besuch bei Günter Wallraff

Günter Wallraff, Wolfgang Stock; Bergisches Land, den 5. Juni 1979

Unter konspirativen Umständen, man kann es nicht anders sagen, kam ich zu Günter Wallraff. Denn Wallraff musste für ein paar Wochen von der Bildfläche verschwinden.

Ich traf Günter Wallraff im Sommer 1979. Er hatte über drei Monate unerkannt in der BILD-Lokalredaktion in Hannover gearbeitet und enthüllt, mit welchen Methoden Deutschlands führende Zeitung zu arbeiten pflegt. Sein Buch Der Aufmacher – Der Mann, der bei ‘Bild’ Hans Esser war erklomm rasch die Bestsellerlisten und wurde heftig diskutiert.

Neben reichlich Lob und Bewunderung über diesen Scoop hagelte es Widerspruch, Klagen, Drohungen und Wallraff zog sich für einige Tage in das Haus eines Freundes zurück, weit ab der Großstadt und der medialen Aufmerksamkeit.

Seine Assistentin lotste uns per Telefon wie in einem Krininalfilm zu seinem geheimen Refugium. “Fahren Sie nach Bergisch-Gladbach, dann Richtung Kleinkleckersdorf, auf halbem Weg sehen Sie eine hohe Eiche, biegen Sie dort in den Waldweg…” Und so weiter, und so fort. Man kam sich vor, wie in einem Thriller von John le Carré. Wir waren, zumindest für einen Tag, Teil des System Günter Wallraff geworden.

In dem Sommerhaus im Bergischen empfing uns Wallraff freundlich, neugierig und doch stets auf der Hut. Er war eigentlich immer auf der Lauer, und manchmal wusste man nicht so recht, ob man nun Günter Wallraff oder doch Hans Esser vor sich hatte.

Ich mag Wallraffs subjektive Annäherung an das Schreiben. Das hat eine lange Tradition, denn schon Upton Sinclair hatte 1905 mit The Jungle einen inkognito recherchierten Roman veröffentlicht, der die Zustände in den Schlachthäusern von Chicago anprangerte. Muckraker, nennen die Amerikaner diese Form des Journalismus verächtlich, Schmutzwühler, Nestbeschmutzer. Bisweilen hört es sich wie eine Auszeichnung an.

Und Muckraker Wallraff enthüllte Mißstände wie kein anderer: Er war der Türke Ali bei Thyssen und – mein Liebling – er deckte Putschpläne und Waffenschiebereien des sinistren früheren portugiesischen Staatspräsidenten General António de Spinola auf. Manchmal vernahm man eine übermütige Spöttelei in seiner Recherche. Beispielsweise, wenn er sich bei Gerling auf den Chefschreibtisch breit machte.

In der schwedischen Sprache hat sich der Begriff wallraffa eingebürgert, das Verb bezeichnet einen verdeckten Recherchestil. Wallraff hat den Journalismus um eine Dimension bereichert. Überraschend angreifen, unerkannt beobachten, ganz nah rangehen. Das ist zwangsläufig höchst subjektiv und nicht mehr objektiv. So what? Das ist jedenfalls aufregender und spannender als das meiste Zeug, das die Sesselpupser so schreiben.

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