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Schlagwort: Buch

Wie finde ich einen guten Literaturagenten?

Ein Blick hinter die Kulisse. Subjektive Betrachtungen von Wolfgang Stock; Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Ohne einen Literaturagenten läuft im heutigen Buchgeschäft wenig bis nichts. Wenn ein Newcomer einen Verlag sucht, dann ist eine Agentur in unseren Tagen das beste Einfallstor zur Veröffentlichung. Nur noch bei Kleinverlagen kann man sich direkt bewerben, bei Großverlagen geht so gut wie alles über eine Literaturagentur. Die Erfahrung und die Kontakte einer Agentur sind für einen Autor nicht mit Gold aufzuwiegen.

Dabei hat das Profil eines Literaturagenten in jüngster Vergangenheit einen grundlegenden Wandel durchlaufen. Noch heute findet man die klassischen Literaturagenten wie den Münchner Michael Meller oder Peter Fritz aus Zürich, deren Hauptaufgabe darin besteht, Autoren und ihre Bücher zu vertreten. Diese versierten Makler sorgen beispielsweise dafür, dass ein US-amerikanischer Autor in einem deutschen Verlagshaus bestmöglich (was für den Verlag meist heißt: teuer) untergebracht wird.

Doch hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten das Arbeitsfeld eines Literaturagenten merklich verschoben. Aufgrund der Sparpolitik der Verlage und des Trends zum Outsourcing haben sich die meisten Literaturagenturen zu einem „vorgelagerten Lektorat“ der Buchverlage entwickelt. Insofern wundert es nicht, dass viele ehemalige Lektoren –  nolens volens auf Literaturagent umgesattelt haben.

Die meisten Agenturen haben sich über die Jahre spezialisiert. Die einen auf Kinderbücher, die anderen auf Sachbücher. Eine Agentur mit Profil in Belletristik, die andere steht schwerpunktmäßig für Ratgeber. Jeder Verlagssuchende muss deshalb die richtige Agentur für sein Projekt auskundschaften. Ein gutes Manuskript an die falsche Agentur zu senden, erzeugt nur Frust auf beiden Seiten. Deshalb heißt es zunächst sich schlau machen, forschen, nachfragen und googeln.

Immer mehr Agenten werden auf dem Buchmarkt aktiv, denn der Trend zur Verschlankung der Verlagslektorate geht munter weiter. Die meisten Agenten und Agentinnen kommen aus den Verlagen, sind langjährig erfahrene und hochqualifizierte Lektoren. Mit besten Verbindungen. Für verlagssuchende Autoren ist dieser Wachstumstrend der Literaturagenturen gleich ein zweifacher Vorteil.

Denn wenn ein Markt stetig wächst, nehmen auch Segmentierung und Spezialisierung zu. So ergibt sich die wachsende Möglichkeit, jene Agentur herauszufiltern, die haarklein zum Profil meines Projektes passt. Zum anderen kann ich versuchen, bei kürzlich gegründeten Agenturen unterzukommen. Die Fachmedien BuchMarkt oder Börsenblatt berichten vielmals über diese Neugründungen. 

Bei der Suche kann übrigens auch ein Heimspiel nicht schaden. Wenn die Agentur an meinem Wohnort arbeitet, sollte dies kein Nachteil sein. Denn es gilt ja, eine Beziehung aufzubauen. Jeder Anknüpfungspunkt ist recht. Oder ich schaue mir das CV des Agenten an. Gibt es Überschneidungen? Gleicher Geburtsort? Ähnliches Studienfach? All das kann nicht schaden, die ersten Fäden einer Kommunikation müssen geknüpft werden.

Ich habe für diese Kolumne bei mir befreundeten Literaturagenten nachgefragt, welche Tipps sie geben können, jenseits von Qualität des Manuskriptes und vernünftigem Exposé. Hier im O-Ton ein paar Anregungen der Agenten:

  • Schon im Betreff der E-Mail klar machen, um was für ein Projekt es sich handelt. Da sollte also nicht stehen: Mein Buch, sondern so etwas wie: Tot auf dem Oktoberfest, Krimi aus München. Die wenigsten machen das.
  • Oft kapiert man selbst beim Anschreiben nicht, worum es geht. Die Autoren müssen es schaffen, im Anschreiben ihr Projekt in zwei, drei Sätzen zu beschreiben.
  • Eine Frage möchte ich als Literaturagent bei jedem Buchvorschlag beantwortet bekommen: Warum Sie als Autor genau zu diesem Projekt passen. Wenn im Sachbuch die Absenderkompetenz nicht stimmt, ist selten was zu machen. 
  • Daran denken, dass die eigene Vita zum Buchprojekt passen muss. Verlage veröffentlichen nicht Bücher, Verlage veröffentlichen Kompetenz. Ein Arzt, der ein Philosophie-Buch schreibt, macht wenig Sinn. Noch schlimmer ist es umgekehrt.
  • Die Kompetenz eines Autors muss nachweisbar sein. Wer einen Lehrstuhl oder eine eigene Fernsehsendung hat, ist im Vorteil.
  • Ein Autor sollte mal im stillen Kämmerlein für sich versuchen, einen Werbeslogan für sein Buch zu entwerfen. Da bekommt er ein Gefühl für die Vermarktung. Oder auch nicht.
  • Generell gilt die Empfehlung, dass sich die Leute im Buchhandel umschauen sollten, richtig vor Ort, und prüfen, ob es überhaupt ein Regal für ihr Projekt gibt.
  • Ein potenzieller Autor kann bei einem Buchhändler zu seinem Thema nachfragen. Die Sortimenter wissen eine Menge und müssen das Buch schließlich auch verkaufen.

Man sieht, gute Literaturagenten arbeiten nicht nach bon gusto, sondern klopfen Projekte nach Kriterien ab. Inhaltliche Qualität und eine erstklassige Umsetzung reichen da nicht aus, sie sind die selbstverständliche Grundlage. Darüber hinaus muss man Klarheit schaffen, ob es einen Markt und genug Käufer gibt für das Projekt.

Für den Verlagssuchenden ist die Arbeit mit einem Literaturagenten risikolos. Seriöse Agenten arbeiten ausschließlich auf Erfolgsbasis. Sie erhalten eine prozentuale Beteiligung an den Tantiemen eines Autors. Erst wenn ein Autor ein Honorar vom Verlag erhält, rechnet

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Book Publishing…

Publishing Books is like betting on horses.

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10 Fehler beim Anschreiben, die Neulinge auf Verlagssuche gerne machen

Wolfgang Stock
Autoren-Brief
Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Als Autor haben Sie schon einiges geschrieben. Mit gutem Zuspruch. Zum großen Glück fehlt nur noch ein guter Verlag. Die Erfolgsformel, wie man sein Manuskript bei einem etablierten Verlagshaus unterbringt, kann Ihnen keiner verraten. Ich auch nicht. Denn es gibt sie nicht. Sonst könnte es ja auch jeder machen. 

Allerdings kann man den Sachverhalt umdrehen. Ich möchte auf ein paar Fallen aufmerksam machen, in die Neulinge bei der Suche nach einem guten Verleger schnell hineinfallen. Nachstehend 10 Fehler, die nach meiner Erfahrung von Verlagssuchenden alleine beim Anschreiben gerne gemacht werden.

  1. Unpersönliche Anrede. Wer sein Anschreiben schon mit Sehr geehrte Damen und Herren oder Wertes Lektorat oder Hi, zusammen anfängt, oje, oje. Da weiß man direkt, hier hat sich keiner der Mühe unterzogen, den richtigen Ansprechpartner ausfindig zu machen. Da darf man sich nicht wundern, wenn es auch eine Standardantwort mit Textbausteinen gibt. Oder gar keine Reaktion.
  2. Ein Anschreiben voller Fehler. Falsche Zeichensetzung, orthografische Patzer, Schnitzer im Adressfeld. Wer macht denn sowas? Keiner, sollte man denken. Kommt aber oft genug vor. Mehr als man denkt.
  3. In der Masse untergehen. Im Verlag haben wir damals einige Dutzend Manuskriptangebote unaufgefordert erhalten. Am Tag. Es schadet nicht, mit dem Anschreiben ein wenig aus der Masse herauszuragen. Wie? Ihrer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
  4. Zu lang. Ein Anschreiben ist die Eröffnung einer Kommunikation. Lange Rede über den Inhalt des Manuskriptes, Auslassungen zur eigenen Biografie – sollte man sich sparen. Findet der Lektor woanders. Kurz und auf den Punkt. Schwadronieren ist Unsicherheit.
  5. Ein langweiliger erster Satz. Hiermit biete…, oder Ich möchte Ihnen…Gähn, gähn. Beginnen Sie stattdessen Ihr Anschreiben doch mit einem ehrlichen Lob! Seit langer Zeit beobachte ich Ihre kluge Publikationsstrategie. Oder: Ihr Herbstprogramm war große Klasse.
  6. Sich selbst überhöhen. Sein Manuskript im Anschreiben als den neuen Mega-Seller anzupreisen, ist amateurhaft. Eindruck schinden wollen, das merkt ein Lektor sofort. Da fällt mir der schöne Witz ein von den drei Friseuren, die ihre Läden in Manhattan in einer Strasse direkt nebeneinander haben. Der beste Friseur in Manhattan hat der erste aufs Firmenschild geschrieben. Der beste Friseur in ganz New York, hat sein Nachbar, der zweite Friseur, im Schaufenster gekontert. Und welches Werbeschild hängt der dritte Friseur auf? Der schreibt: Der beste Friseur in dieser Strasse. Wunderbar! Es reicht vollkommen, wenn Sie der beste Friseur in der Strasse werden.
  7. Zu wenig Selbstbewusstsein. Wenn Sie im Anschreiben wie ein kleines Licht auftreten, werden Sie keinen Verlag hell leuchten lassen. Selbstbewusst, aber nicht überheblich! Klar, ein schmaler Grat. Wenn Sie jedoch beispielsweise schreiben: Ich habe bisher im Self Publishing veröffentlicht, mit guten Verkaufszahlen, dann hebt Sie das schon aus den Bewerbern heraus, ohne aufgeblasen zu wirken.
  8. Schlechtes Exposé. Ein stimmiges Exposé ist die Visitenkarte. Eine knappe Übersicht über das Projekt. An anderer Stelle von Autoren-Brief steht dazu Ausführliches.
  9. Der Autor als Problemlöser. Sie müssen dem Verlag Freude bereiten, nicht umgekehrt! Diesen mentalen Shift sollten Verlagssuchende einmal durchspielen, dann fällt vieles leichter: Anschreiben, Exposé, Argumentation, Auftreten. Ist so ähnlich wie bei Job-Bewerbern, die dem Chef sagen Es würde mir Spass machen, in Ihrer Firma zu arbeiten. Falsche Perspektive! Spass sollte der haben, der zahlt.
  10. Danke. Zum guten Schluss des Anschreibens. Welch ein magisches Wort! Es wird zu oft vergessen. Danke für Ihre Mühe. Oder: Vielen Dank für Ihre Unterstützung. So wie der erste Satz des Anschreibens die Melodie der Kommunikation legt, so klingt ein letzter guter Satz lange nach.

Wahrscheinlich gibt es noch mehr Punkte. An dieser Stelle, demnächst. Vielen Dank, dass Sie diese Kolumne gelesen haben. Ich hoffe, Sie haben die eine oder andere Anregung mitgenommen.

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Die Bestseller-Formel – Wie finde ich einen guten Titel für mein Buch?

Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Es gibt Buchtitel, die kann man einfach nicht besser machen. 100 Punkte von 100 Punkten. Krieg und Frieden ist so ein Klassiker. Oder Die Katze auf dem heißen Blechdach. Ein Titel muss neugierig machen, er muss uns aus dem Verkaufsregal anspringen. Ein guter Titel sollte Erwartungen aufbauen und eine innere Unruhe auslösen. Der ideale Titel muss den Leser oder die Leserin – im guten Sinne – anfixen.

Nun spielen wir ja nicht in der Liga von Leo Tolstoi oder Tennessee Williams, macht aber nichts. Denn vieles beim Schreiben ist ehrliches Handwerk, wie so oft in den kreativen Berufen. Absolute Gewissheiten gibt es nicht, dazu ist die Ausgangslage schon zu verschieden. In diesem Sinne nachstehend keinen goldenen Schlüssel, aber doch ein paar Gedankenanstösse zum Thema Titelfindung und den einen oder anderen technischen Kniff. 

Oberste und heilige Regel: Ein Titel darf nicht langweilen. Spannung muss ein Titel vor allem erzeugen. Spannung nicht so sehr im Sinne von Nervenkitzel (außer bei Krimis), sondern Spannung im Sinne von Anziehung und Zugkraft. Schwingungen und Funkenflug zwischen diesem viereckigen Stück Papier und dem Hirn des Menschen müssen ausgelöst werden. So wie hoffentlich auch bei der Überschrift zu dieser Kolumne.

Gut kriegt man meist eine Spannung, wenn man mit Haupt- und Untertitel arbeitet. Wie macht man das? Zum Beispiel so:

  • Obertitel emotional, Untertitel sachlich. Das tiefschwarze Herz: Ein Fall für Cormoran Strike.
  • Obertitel Fragen aufwerfen, Untertitel Antwort andeuten. 12 Monate durch Südostasien – Paradies mit Schönheitsfehlern.
  • Obertitel geheimnisvoll, Untertitel aufklärend. Beispiel: Der römische Schneeball – Wahre und erfundene Geschichten.

Das tiefschwarze Herz ist ein wunderbares Beispiel. Es gilt, gerade bei Adjektiven, so präzise wie möglich zu sein. Sich sprachlich tief hineinbohren. Tiefschwarz ist tausendmal besser als nur schwarz. Dadurch wird die Emotionalität nochmals verstärkt. Gerade bei Adjektiven im Obertitel sollte man immer daran arbeiten, noch tiefer zu drehen.

Wie auch immer, die Spannung zwischen Ober- und Untertitel muss den potentiellen Käufer in der Buchhandlung veranlassen, nach dem Buch zu greifen und darin zu blättern. Im Internet muss die erzeugte Spannung das Begehren auslösen, sich mehr Informationen zu Autor und Buchthema einzuholen.

Falsch bei der Spannungserzeugung wäre die umgekehrte Reihenfolge. Obertitel sachlich, Untertitel emotional. Auch falsch, wenn Obertitel und Untertitel zu sachlich sind. Dann kann’s langweilig werden. Oder wenn beide Titel emotional angelegt sind, wird es meist im Overload enden. Die Spannung ist in allen Fällen futsch.

In seltenen Glücksfällen gelingt es, die Spannung auch ohne Haupt- und Untertitel hinzukriegen. Mit nur einer Titelzeile die Spannung aufzubauen, das ist ganz großes Kino. Die Liebe in den Zeiten der Cholera. Dieser Titel von Gabriel García Márquez ist perfekt, weil die Spannung durch den Gegensatz von Liebe und Cholera erzeugt wird.

Häufig habe ich erlebt, dass eine Kapitelüberschrift besser als der eigentlich vorgesehene Buchtitel gewesen ist. Wunderbar, dann nehme ich eben die Kapitelüberschrift als den neuen Titel. Manchmal werden Autoren, die Tag und Nacht an einem Manuskript arbeiten, mit der Zeit betriebsblind, ein guter Lektor kann auf solche Feinheiten aufmerksam machen.

Zahlen in Titeln sind immer gut. Bei Ratgebern sowieso. Die 1 %-Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung. Das ist perfekt. Idee, USP, Spannung – alles erste Sahne. Damit kommen wir zum USP. Ein Titel kann den USP zwar nicht voll ausbreiten, dem Käufer aber zumindest ein Signal geben. Diese

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Was ist der optimale Preis für mein Buch?

Ein launiger Blick hinter die Kulissen. Von Wolfgang Stock, Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Der optimale Preis für mein Buch? Darauf gibt es eine kurze Antwort: gibt’s nicht. Der Preis ist für viele oft Glückssache. Das Problem ist, dass es ein Buch nicht gibt. Es gibt Hardcover, Taschenbücher, wissenschaftliche Literatur. Bücher mit breiter oder solche mit spitzer Zielgruppe. Bücher von bekannten Autoren und solche von Newcomern.

Insofern können wir uns dem Thema nur nähern. Zunächst gibt es eine betriebswirtschaftliche Betrachtung. In den klassischen Verlagskalkulationen macht die gesamte technische Herstellung etwa 15 Prozent der Gesamtkosten aus. Wenn man für sein Projekt also die Kosten für Satz und Druck zusammenrechnet und durch die avisierte Auflage teilt, erhält man den Betrag Herstellkosten pro Exemplar. Sagen wir 2,20 €. Diesen Betrag können wir mit dem Hebesatz 7 (ca. 15 % von 100) multiplizieren, dann kriegen wir einen möglichen Verkaufspreis. In diesem Fall 15,40 €. Ab diesem Preis, so die Daumenregel, kann ich Gewinn erzielen. Darunter, eher Verlust.

Diese rein kalkulatorische Betrachtung wird einem Projekt natürlich nicht gerecht, zumal jeder Verleger andere Kostenstrukturen hat. Zu unterschiedlich sind zudem die Zielgruppen und Auflagenhöhen. Wissenschaftliche Literatur ist teuer. Fachliteratur, die man ja meist von der Steuer absetzen kann, ebenso. Wer jedoch als Selfpublisher beispielsweise pro Exemplar lediglich den doppelten Druckpreis nimmt, rennt in eine Falle. Sobald ein Barsortimenter oder Einzelhändler das Buch bestellt und 50 Prozent Rabatt anfallen, bewegt er sich im roten Bereich.

Zum Thema Preistest. Ich habe in meinem Berufsleben einige Male Preistest durchgeführt. Das geht so: Als Fachverleger versendet man vor Veröffentlichung eine Offerte an – sagen wir – 300 Stammkunden für Pre-Order. Stückelt aber. 100 Kunden erhalten das Angebot für 19,90 €, weitere hundert für 29,90 € und nochmals hundert Kunden eine Offerte über 39,90 € für das gleiche Buch. Erstaunlich, dass bei all meinen Preistests im Prinzip immer das gleiche herauskam. Die höchste Bestellzahl verzeichnete der kleinste Preis, den höchsten Umsatz (Stückzahl mal Preis) allerdings der höchste Preis. Also: 5 Bestellungen zu 39,90 € erzielen mehr Einnahmen als 8 Bestellungen zu 19,90 €. Und dies bei weniger Kosten.

Als grobe Hausnummer: Wenn ich hohe Stückzahlen verkaufen will (zu Lasten der Rendite), dann niedriger Preis. Wenn ich auf den Gewinn (den ein Verlag Deckungsbeitrag nennt) achten muss, dann eher hoher Preis. Dies aber auch nur pi mal Daumen. Eines scheint mir jedoch wichtig:

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Ein Treffen mit Erwin Barth von Wehrenalp

Frankfurt am Main, im Juni 1990

mit Erwin Barth von Wehrenalp, Frankfurt am Main, im Juni 1990

Von diesem älteren Herrn kann man eine Menge lernen. Erwin Barth von Wehrenalp. Der Gründer des ECON Verlages, ein Mann von ausgeprägtem Esprit, hat Buchgeschichte geschrieben.

Ich habe nie mit ihm bei ECON zu tun gehabt, zwei Generationen lagen zwischen uns, er hatte sich zu meiner ECON-Zeit schon aus dem Geschäft zurück gezogen. Obgleich es an manch trübem Tag in den Lektoraten an Düsseldorfs Kaiserswerther Strasse schien, als müsste man den Erfolgsgeist des Altverlegers ein wenig beschwören. So jedenfalls waren die Meriten damals verteilt: hier die Legende, dort die Grünschnäbel.

Im Juni 1990 bekomme ich die Einladung zu einem Festbankett von Kienbaum in Frankfurt, auf dem ich Erwin Barth von Wehrenalp nun auch von Angesicht zu Angesicht kennenlernen sollte. Einen ganzen Abend sitze ich neben ihm, bin als sein Tischnachbar gesetzt und wir reden über Gott und die Welt, über Bücher und über’s Büchermachen.

Ein liebenswerter und sympathischer Menschenfreund, so das Fazit des Festes, dieser Erwin Barth. Aber auch ein Schlaufuchs, ein richtiger Schlawiner, wenn es darauf an kommt. Besonders wie man mit Menschen umgeht, das kann man sich bei Erwin Barth abschauen. Er war bei Adenauer, bei Ludwig Erhard, seinem Bestseller-Autor, und auch bei John F. Kennedy.

Barth hatte Kennedys The Strategy of Peace als deutsche Ausgabe Der Weg zum Frieden 1961 im ECON Verlag veröffentlicht. Nun empfing der amerikanische Präsident seinen deutschen Verleger im Weißen Haus zu Washington. Für die Audienz habe er genau 15 Minuten, wurde Erwin Barth streng beschieden, der Zeitplan des Präsidenten sei eng. Als später der präsidiale Assistent drängte, die Zeit sei um, fing Kennedy an zu gestikulieren, und meinte trocken ten minutes more. Auch ihn hatte Erwin Barth in seinen Bann gezogen.

Worin lag das Geheimnis Erwin Barths, Menschen zu fesseln? Nun, er ließ sein Gegenüber Interesse und Verbundenheit spüren. Und mehr noch, er nahm sich zurück und stellte seinen Gesprächspartner in den Mittelpunkt. Und dann überfiel Erwin Barth das arme Opfer vehement mit einer tour de charme. Das ganze Programm, rauf und runter: Bauchpinseln, in den Himmel heben, loben, schmeicheln – bis der Arzt kommt.

Wollte er einen Menschen endgültig auf seine Seite ziehen, dann sagte er irgendwann im Gespräch, Sie müssen über Ihr Leben ein Buch schreiben!, selbst wenn sein Gesprächspartner keinen geraden Satz herausbekommen konnte. Und schon hatte der findige Verleger einen Gewogenen, einen Sympathisanten, einen Freund vielleicht.

Und noch etwas. Erwin Barth gab dem jungen Lektor einst den Ratschlag, bei der Autorenakquisition den Blumenstrauß für die Dame des Hauses nicht zu vergessen. Dieser Rat hat sich stets bewährt, er erwies sich als wirksamer Türöffner. Auch hier lag Erwin Barth von Wehrenalp richtig.

siehe auch: Wie Erwin Barth von Wehrenalp „Mister Sachbuch“ wurde

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